Empathie bei Kindern fördern Ob es uns lieb ist oder nicht, Kinder spüren oft sehr genau wie es uns geht. Selbst dann, wenn wir es vor ihnen verbergen möchten.

Oft können die Kinder aber nicht richtig zuordnen, was sie spüren und sind daher manchmal verunsichert oder irritiert. Doch auch wenn wir unsere Kinder vor unseren eigenen schmerzvollen Gefühlen schützen wollen, tun wir ihnen alles andere als einen Dienst, wenn wir ihnen gegenüber nicht ehrlich sind.

Es geht also darum eine kindsgerechte und emotionsgerechte Sprache zu finden.

Empathie und die angeborene Gefühlsansteckung

Wir Menschen haben die wunderbare Gabe uns in andere Menschen hineinzuversetzen und Mitgefühl zu entwickeln.

Während psychologische Fachpersonen bei Säuglingen noch eher von einer Gefühlsansteckung sprechen, zeigen bereits zweijährige Kinder ganz deutlich die Fähigkeit sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

Eine Gefühlsansteckung können wir beispielsweise beobachten, wenn ein Baby zu weinen beginnen, weil ein anderes Kleinkind weint. Bereits die angeborene Gefühlsansteckung hat also eine soziale Auswirkung: Wir Menschen beeinflussen uns gegenseitig über emotionale Reaktionen wie Weinen und Lachen oder auch nur Gesichtsausdrücke.

Bereits beim Kleinstkind können wir beobachten:

Wenn wir lächeln, lächelt es zurück. So entstehen soziale Bindungen zwischen Menschen, bzw. zwischen dem Kind und seinen engsten Bezugspersonen.

Oft ist uns leider viel zu wenig bewusst, dass auch „negative“ Gefühle wie Trauer, Stress, Sorgen, … bereits bei Kleinstkinder eine (ebenso negative) Gefühlsansteckung bewirken können.


 

Grössere Kinder reagieren evtl. nicht mehr so direkt und sichtbar, dennoch hinterlassen die Gefühle der Bezugspersonen auch bei älteren Kindern eine Spur.

Empathie bei Kindern fördern:
Erstaunlich, wie viel Kinder mitkriegen

In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, wie erstaunt Eltern sind, wenn sie mitkriegen, was ihre Kinder alles wahrnehmen.

Durch verschiedene spielerische Übungen kann man Kinder ausdrücken lassen, was sie denken, was ihre Eltern denken oder fühlen. Beispielsweise lasse ich das Kind ein Stethoskop an den Kopf der Eltern halten und frage sie, was sie hören bzw. was sie denken, dass im Kopf der Mama oder des Papa vorgeht.

Oder

Ich lasse ältere Kinder ihre Eltern zeichnen mit einer „Denkblase“, und die Kinder sollen einen Satz reinschreiben oder benennen, was die Eltern gerade so denken, was die Eltern fühlen, was ihre Sorgen sein könnten … Kinder selber beschreiben das auch so oder ähnlich:

Wenn ich von der Schule heimkomme, dann bemerke ich bereits an der Stimme der Mutter wie es ihr geht oder wie die Stimmung zu Hause ist.“

Empathie bei Kindern fördern:
Es ist eine Erleichterung, wenn man seine Sorge über andere mit-teilen darf!

Wenn Kinder spüren, dass sie ihre Wahrnehmungen und Gedanken offen mitteilen dürfen, sind sie oft sehr erleichtert. Sie erhalten nicht nur eine Gelegenheit sich mitzuteilen, also ihre Sorgen mit jemandem zu teilen, sondern es kann auch eine Klärung der Situation erfolgen.

Sie spüren, dass man sie ernst nimmt. Damit kann man dem Kind auch das Gefühl der Verantwortung abnehmen, denn sehr oft fühlen sich v.a. kleiner Kinder für die Gefühle ihrer Eltern verantwortlich: „Ich bin schuld, dass Papi jetzt böse ist“ oder „Ich war zu wenig brav, daher ist Mami so traurig“.

Ich plädiere daher ganz stark dafür, unser Befinden nicht vor den Kindern zu verstecken, denn das können wir nicht wirklich, sondern mit den Kindern offen über unser Befinden zu sprechen.

Im folgendem Artikel gehe ich detaillierter auf das Thema ein:

Empathie bei Kindern fördern

 


Empathie bei Kindern fördern:
Kinder sprechen eine andere Sprache

Als keiner Exkurs möchte ich hier zunächst eine Beobachtung als Mutter einfügen: Immer wieder beobachte ich, dass Kinder in ihrer Sprache viel gefühlsbetonter sind.

Sie drücken sehr direkt aus, was und wie sie gerade fühlen. Unser Sohn sagt: Ich bin voll, statt ich bin satt. Das Essen schmeckt grusig, statt Zucchini mag ich nicht….

Gefühle und Befindlichkeiten werden unmittelbar und unverdeckt gezeigt.

Wir Erwachsenen bemühen uns, unseren Kindern eine sozial angepasste Sprache zu vermitteln. – Natürlich ist es höflich sich in bestimmten Situationen weniger direkt auszudrücken, aber ist das Zuhause wirklich auch immer nötig?

Ich bin der Meinung, dass Kinder lernen können im familiären Umfeld eine andere Sprache zu sprechen als z.B. in der Schule oder später in der Arbeitswelt. Damit meine ich nicht ein weniger höfliche aber eine offenere, persönlichere und v.a. gefühlsbetontere Sprache.

Wir Eltern bringen den Kindern bei, ihre Gefühle zu kontrollieren und zuweilen sogar zu unterdrücken. Leider ignorieren wir allzu oft, dass Gefühl ihre Daseinsberechtigung haben; dass Gefühle niemals falsch sind.

Es gibt keine falschen oder richtigen Gefühle, es gibt nur unangemessene Verhaltensweisen und Umgangsweisen mit den Gefühlen.

Empathie bei Kindern fördern:
Mit Kindern über unser Befinden sprechen

Es geht darum, dass wir Eltern auch mit Kindern offen sprechen und unsere Gefühle benennen. Experten empfehlen, dass wir Ich-Botschaften machen.

Ich-Botschaften drücken in einer Ich-Formulierung die Gefühle, Bedürfnisse und Wahrnehmungen aus.

Zum Beispiel:

Ich bin sehr müde und brauche eine Pause, bevor ich wieder mit dir spielen kann“.

Dass du die Vase kaputt gemacht hast, macht mich grad sehr traurig und auch etwas wütend…

Das bedeutet, dass wir unseren Kindern auch unangenehme Gefühle zumuten können. Immer wieder erlebe ich, dass Eltern der Meinung sind, ihre Kinder zu schützen, wenn sie das Kind nicht mit ihren persönlichen Gefühlen konfrontieren.

Da Kinder aber wie bereits gesagt, sehr feine Antennen haben, werden sie den Widerspruch von den nonverbalen, emotionalen Signalen und dem Gesagten sofort spüren oder merken, dass etwas Unausgesprochenes in der Luft liegt.

Solche Widersprüche oder Tabus verunsichern das Kind zurecht. Wir dürfen uns also erlauben authentisch zu sein und in einfachen Ich-Botschaften über unser Befinden zu sprechen. Damit sind wir unseren Kinder auch wichtige Vorbilder und helfen ihnen mit den eigenen Gefühle umzugehen.

Das bedeutet nicht, dass wir den Kindern auch alle Gründe für unser Befinden bis ins Detail erklären, dies würde sie tatsächlich überfordern.

Wenn es uns selber schlecht geht

Eine häufige Beobachtung ist, dass gerade dann, wenn es uns Erwachsenen selber schlecht geht, wir sehr stark mit uns und unseren Gefühlen oder dem Funktionieren trotz der Krise beschäftigt sind.

Unter diesen Umständen können wir gar nicht wahrnehmen, wie viel die Kinder wirklich von all den Belastungen mitkriegen.

Bei grossen Krisen

Wenn es uns sehr schlecht geht und dies über längere Zeit anhält, ist es besonders wichtig, mit den Kindern im Gespräch zu bleiben und Hilfe von Drittpersonen einzuholen.

Kinder spüren unsere Hilfsbedürftigkeit sehr gut und erleben sich selber dann oft der Situation hilflos ausgeliefert. Manchmal versuchen Sie auch auf ihre Art Lösungen zu finden oder übernehmen eine Rolle, die eigentlich gar nicht kindgerecht ist.

Familientherapeuten sprechen dann von einer Parentifizierung.

Wenn Elternteile ihre Elternrolle unzureichend wahrnehmen können, fühlt sich das Kind aufgefordert oder gar verpflichtet die „Elternfunktion“ zu übernehmen.

Wenn wir in solchen Situationen nicht mit den Kindern über unsere (emotionale) Situation oder unsere psychische Krise sprechen, dann tabuisieren wir das eigentliche Thema und drängen Kinder in Rollen, die sie überfordern.

Kinder versuchen aber nicht nur auf der Verhaltensebene das von ihnen wahrgenommene Problem zu lösen, sondern sie suchen sich auch ihre eigenen Erklärungen für das was sie wahrnehmen. Sehr oft entwickeln Kinder dabei auch Schuldgefühle und Ängste.

Ein Beispiel aus der Praxis

Um diese Dynamik konkreter aufzuzeigen, beschreibe ich hier eine Fallbeispiel, das ich so oder ähnlich in meiner Praxis antreffe (die Namen sind alle frei erfunden):

Seit Marianne von ihrem Mann Hannes verlassen wurde, geht es ihr sehr schlecht. Marianne hat jeglichen Halt und den Glauben an eine Liebe und an sich selber verloren. Dazu kommen finanzielle Sorgen und die Angst, die Eigentumswohnung und somit ihr Zuhause zu verlieren. Mit Müh und Not schafft sie es, sich morgens aufzuraffen und die beiden Jungs in die Schule zu schicken. Sie möchte die zwei Jungs möglichst nicht mit Ihren Sorgen und Nöten belasten. Wenn die Kinder sie besorgt anschauen, lächelt sie diese tapfer an. Nicolas, der ältere Junge kommt in den letzten Wochen immer ganz rasch aus der Schule zurück. Wenn Mama noch nicht fertig ist mit kochen, weil sie noch im Bett liegt, schleicht er sich in die Küche und kocht Spaghetti für alle drei. Dass seine Noten in letzter Zeit nicht mehr so gut sind wie sonst, weil er sich kaum mehr auf die Schule konzentrieren kann, verschweigt er; er möchte Mama ja nicht noch mehr belasten… Dann meldet sich die Lehrerin bei der Mutter und wünscht ein Gespräch über Nicolas… Die Lehrerin empfiehlt einen Besuch bei einer Fachperson…

In der Familientherapie lernt Marianne ihren Kindern gegenüber eine „Sprache“ zu finden für ihr Befinden.

Sie lernt für sich Hilfe zu holen und bringt damit den Kindern gegenüber zum Ausdruck, dass sie nicht hilflos der Situation ausgeliefert ist, sondern wieder lernen kann Kontrolle über ihr Leben und ihre aktuelle Situation zu erfahren.

Die Kinder bekommen damit auch die Möglichkeit ihre Ängste und Sorgen zu äussern. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Mutter, sondern auch in Bezug auf ihre Situation, wie es ihnen geht mit dem „Verlust“ des Papas. Welche Gefühle sie diesbezüglich haben.

Das Video „My dad´s story: Dream for My Child“ zeigt auf eindrückliche Weise, das es nicht nur richtig ist, das Kind vor der Realität zu bewahren…

Obwohl dieser Vater nur das Beste für seine Tochter will, belügt er sie. Bei diesem Video handelt es sich um einen Werbespot einer Versicherung aus Hong Kong.


 


Ihre

Sara und Peter Michalik


Foto © motorradcbr – Fotolia.com

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