Stephi Müller

Loslassen lernen – Ich gehe heute viel entspannter mit Zeitdruck um.

Stephi erzählt im Interview:

  • Wie sich die Partnerschaft total verändert hat.
  • Warum Sie sich einen Kalender ohne Uhrzeiten gekauft hat, um das Loslassen zu lernen.
  • Wie es ihr ging als ihr Sohn 4 Stunden am Stück geweint hat und sich nicht beruhigen konnte.
  • Warum der Perfektionismus heute nicht mehr so wichtig ist.
  • Und sie sich heute im Bezug auf das Mama sein auf ihre Intuition verlässt.

Aber jetzt endlich zum Podcast!


Stephi Müller: Ich musste das Loslassen lernen [007] jetzt hören

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Shownotes:

Mein Name ist Stephi Müller, ich komme aus Hamburg, bin 35 Jahre alt,  und bin seit kurzem die Mami eines kleinen Jungen. Das dies nicht immer ganz leicht ist, habe ich schon vor der Geburt gemerkt und möchte euch hier jetzt einfach mal an meinen Gedanken teilhaben lassen…   www.einfach-mami.de

Am liebsten lese ich sie gemütlich in meiner Hängematte in der Sonne oder mit leckerer Schokolade auf dem Sofa. Dabei mag ich es, wenn mich die Bücher in immer neue Welten entführen, egal ob sie in der echten Welt oder in der Phantasie spielen, sie eher romantisch sind oder mir beim Lesen eine Gänsehaut über den Rücken laufen lassen. Die Mischung macht´s. Deshalb lese ich nicht nur Bücher für Erwachsene, sondern sehr gerne auch Bücher für Jugendliche und Kinder.“

„Stephis Bücherblog. Bücher, Rezensionen & mehr“ www.stephienchen.de


Stephis Büchertipps:


Ich lese lieber:

Transkript:

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P: Mein heutiger Interviewgast bei elternpodcast.de ist Stephi aus Hamburg. Hallo Stephi

S: Hallo, guten Morgen.

P: Guten Morgen. Erzähl uns doch erst einmal, wer du bist, was du machst und wie viele Kinder du hast.

S: Ja ich bin Stephi, ich wohne in Hamburg, hattest du ja gerade schon gesagt. Ich habe ein Kind, mein Sohn ist jetzt viereinhalb Monate alt. Und wenn ich nicht gerade in Elternzeit bin, dann arbeite ich als Lehrerin in einer Grundschule hier in Hamburg und habe eine erste Klasse, beziehungsweise jetzt schon fast eine Zweite. Ja und ich lese sehr gerne in meiner Freizeit und deswegen habe ich einen Bücher-Blog angefangen vor glaube ich ungefähr fünf Jahren. Und als ich dann schwanger war, dachte ich, dass es nett wäre, zusätzlich noch mit einem Baby-Blog zu starten. Der ist jetzt also ungefähr ein halbes Jahr alt, ein bisschen älter als mein Sohn.

P: Das heißt, dein Sohn ist vier Monate alt?

S: Genau, mein Sohn ist vier Monate.

P: Genau. Und wie lange habt ihr ungefähr gebraucht, bis ihr euch aneinander gewöhnt habt?

S: Ich würde sagen, wir gewöhnen uns immer noch aneinander. Also am Anfang ging es eigentlich relativ schnell im Krankenhaus, als er geboren war. Aber jetzt ist es häufig so, dass ich denke „Hm, ich verstehe dich eigentlich gar nicht so richtig. Was möchtest du mir sagen?“ Aber ja, es ist jeden Tag spannend. Und ich glaube, GEWÖHNT haben wir uns natürlich schon nach ein paar Tagen aneinander, aber Normalität gibt es mit Baby noch nicht.

P: Ja, das finde ich eine ganz, ganz schöne Aussage. Ja, ich würde gerne gleich zu meiner ersten Hauptfrage kommen: Was hat sich durch deinen Sohn in deinem Leben und auch in deiner Partnerschaft verändert?

S: Ja es ist unglaublich, dass man auf einmal keine Zeit mehr für nichts hat. Also ich dachte „Okay, ich krieg da ein Baby und dann schläft das ja auch ganz viel und während das schläft, kann ich dann ja so die Dinge erledigen, die ich noch machen muss.“ – das hat so nicht ganz geklappt. Von daher hat mein Sohn mein KOMPLETT auf den Kopf gestellt. Eigentlich richtet sich alles danach, wann er gute Laune hat, wann ich einmal irgendetwas anderes erledigen darf. Wenn ich mich mit Leuten treffe, muss das immer so sein, dass ich ihn mitnehmen kann, und dass es für ihn auch ein guter Platz ist, um sich dort aufzuhalten. Also dass es nicht zu laut ist oder ja, dass es nicht total regnet schon wieder. Und in der Partnerschaft hat sich auch UNGLAUBLICH viel verändert, weil wir im Moment hauptsächlich Mama und Papa sind und kaum noch Zeit zu zweit haben. Abends ein bisschen, wenn der Kleine schläft. Da versuchen wir uns auch bewusst in letzter Zeit einfach alles freizuschaufeln, damit wir einmal eine Stunde oder zwei am Abend wirklich nur für uns haben und nicht immer nur Mama und Papa sind. Ja.

P: Genau. Ich glaube, das ist die ganz große Herausforderung, sich wirklich diese Zeit freizuschaufeln, damit man eben nicht nur ein gutes Team ist.

S: Ja, genau. Und damit man eben nicht nur Mama und Papa ist, sondern wir sind ja auch noch/ ja, mein Freund ist ja nicht nur der Papa, sondern eben auch mein Freund. Und wir möchten auch nicht NUR die ganze Zeit über unseren kleinen Sohn sprechen –obwohl der super ist. Aber es gibt ja auch irgendwie noch andere Themen und andere Dinge, die man irgendwie zu zweit machen möchte. Und ja.

P: Du hast gesagt durch deinen Sohn hat sich das Leben so ein bisschen auf den Kopf gestellt, das heißt, es ist nichts mehr so planbar, man muss sich von Minute zu Minute eigentlich entscheiden, was man macht oder was man nicht macht. Ist dir das leicht gefallen oder ist das etwas schwierig? Oder wie ist das für dich, diese Umstellung?

S: Es ist mir UNGLAUBLICH schwer gefallen. Also ich bin ansonsten ein sehr durchgeplanter Mensch: Ich habe meinen Kalender und da nehme ich mir die Sachen vor und dann mache ich das so, wie ich mir das vorgestellt habe. Und das funktioniert jetzt einfach gar nicht mehr. Also vielleicht plane ich den nächsten Tag, aber eigentlich stehe ich meistens morgens auf und wenn wir etwas Festes vorhaben – wie irgendwie weiß ich nicht, Babyturnen oder wir müssen zum Arzt – dann versuche ich natürlich, dass wir da rechtzeitig ankommen. Aber ansonsten hat sich da sehr viel verändert. Ich plane nichts weiter, sagen wir vielleicht eine Woche höchstens. Ich musste das Loslassen lernen.

P: Okay.

S: Und ansonsten war mein Kalender immer schon für die nächsten Monate gefüllt. Und das war mir auch ganz wichtig, dass ich das dann immer alles einhalte und dass ich ja immer pünktlich bin. Und ja, da musste sich das jetzt ein bisschen verschieben, weil es einfach nicht geht mit dem Kleinen so.

P: Hast du da einen Tipp, wie du das gemacht hast? Weil wenn man sage ich jetzt einmal wenn das Leben so vorher strukturiert ist und auf einmal ist es überhaupt nicht strukturiert – ja vielleicht hast du einen Tipp, wie man dieses loslässt, dieses Loslassen lernen von den fixen Terminen, wie man das bewältigt. Weil ich kenne das von mir selber, man muss wirklich sagen „Ja okay, ich kann nicht planen.“ Und das ist manchmal schwierig.

S: Ja also klingt jetzt vielleicht ein bisschen albern, aber ich habe meinen alten Kalender weggeworfen und habe mir einen neuen gekauft, in dem es keine Uhrzeiten gibt.

P: Okay. Das ist aber nicht schlecht, ja.

S: Also hat mir tatsächlich ein bisschen geholfen das Loslassen zu lernen. Also mein alter Kalender hatte einfach Uhrzeiten und ich musste die Sachen genau eintragen, was ich um zehn mache oder um zwei. Und jetzt steht da halt einfach nur drin, dass ich zum Beispiel übermorgen vorhabe, mich mit meiner Freundin zu treffen. Und der habe ich gesagt „Komm ungefähr um zwei. Aber du weißt ja: Vielleicht hat Jonas dann schlechte Laune, vielleicht dauert es bis um drei, bis wir zusammen etwas unternehmen können.“ Und das hat mir tatsächlich geholfen. Also UND dass ich einfach offen mit den anderen Leuten da drüber gesprochen habe. Dass ich gesagt habe „Hört zu, ich treffe mich gerne weiterhin mit euch, aber es stresst mich, wenn ich Punkt zwei Uhr da sein muss. Können wir einfach sagen ich bin ungefähr zwischen zwei und drei da?“ Für die meisten Leute ist das auch in Ordnung und ich komm dann wesentlich entspannter dort an, als wenn ich jetzt denke „Oh nein! Wir müssen jetzt los und wir haben keine Zeit!“ Ja.

P: Schön. Guter Trick, gefällt mir, muss ich sagen. Kalender wegschmeißen, einen neuen kaufen ohne Uhrzeit. Das merke ich mir. Was war für dich die größte Herausforderung?

S: Also die größte Herausforderung.

P: In dem Mama Dasein?

S: Am was? Am Mama sein?

P: In dem Mama Sein, ja.

S: Ja. Also als mein Sohn das erste Mal seinen Kreischtag hatte. Also alles davor, so wenig schlafen, das ging alles. Aber als er dann irgendwann – passenderweise am Vatertag – sich überlegt hatte „Irgendwie ist jetzt alles doof.“ und er hat das erste Mal ich glaube vier, fünf Stunden am Stück geschrien. Ja, das war einfach ganz, ganz gruselig und ganz schlimm. Und ja, ich war da nicht so drauf vorbereitet, wie extrem einen das belastet, wenn das eigene Kind so lange weint und man es nicht beruhigt kriegt und man denkt „Hey, du hast etwas zu essen gehabt, dir ist warm, du hast eine neue Windel, wir kümmern uns um dich.“

P: Und wie hast du das geschafft, das zu händeln?

S: Also zum Glück konnte ich mich mit dem Papa von dem Baby gut abwechseln. Also mein Partner ist zu dem Zeitpunkt noch komplett Zuhause gewesen und wir haben dann einfach zu dritt irgendwie versucht, die Zeit rumzukriegen und ja, haben versucht, ihn ein bisschen abzulenken, mit ihm rumzualbern. Und zwischendurch aber auch einfach einmal kurz rauszugehen. Also dass mein Sohn bei seinem Papa geblieben ist und ich bin einfach einmal kurz vor die Tür in einen anderen Raum, dass ich nicht dieses Dauergekreische die ganze Zeit gehört habe. Und ja, und irgendwann war es dann vorbei und wir wussten nicht, was jetzt eigentlich das Problem war. Aber das ist bei Babys so. Inzwischen sind wir da schon ein bisschen routinierter und können da schon besser mit umgehen.

P: Genau, das ist auch ein Stück weit so eine gewisse Ohnmacht. Weil man probiert alles und irgendwie funktioniert nichts.

S: Genau.

P: Man muss es aushalten, oder?

S: Ja. Wobei wir wieder beim Loslassen lernen wären.

P: Ja, das kenne ich sehr gut. Wir haben auch drei Kinder und auch die eine oder andere Stunde mit weinenden oder schreienden Babys verbracht.

S: Ja. Also jetzt, wo er ein bisschen größer ist, da ist es irgendwie für mich auch noch ein bisschen leichter. Natürlich kann er mir immer noch nicht sagen, was ihm fehlt, aber er sieht nicht mehr so zerbrechlich aus wie am Anfang. Also am Anfang war ich dann auch einfach noch total unsicher, dass ich Angst hatte „Oh, vielleicht tu ich ihm weh!“ oder ja „Vielleicht mache ich irgendetwas falsch!“ Und jetzt denke ich zwar trotzdem noch manchmal ich mache etwas falsch, aber jetzt habe ich mich auch schon dran gewöhnt und sein kreischen klingt zum Beispiel anders, wenn er sich weht tut oder wenn ihm einfach nur langweilig ist. Oder ja.

P: Okay. Jetzt ist es ja so, dass man vor der Geburt, während der Schwangerschaft, auf recht viele Sachen vorbereitet wird. Eben auf die Geburt und wie man sich während der Schwangerschaft verhalten soll, wenn das ist oder wenn jenes ist. Und dann kommt das Baby auf die Welt. Und oft ist es dann so, dass die Dinge anders kommen, als man erwartet hätte. Ist etwas passiert, wo du so nicht erwartet hättest oder wo niemand darüber gesprochen hat?

S: Also es hat bei mir schon während der Geburt angefangen. Ich war darauf vorbereitet worden, dass sich das ziemlich lange hinzieht und hatte auch einen sehr guten Geburtsvorbereitungskurs und mein Freund konnte auch mitkommen und wir dachten „Okay, dann fahren wir ins Krankenhaus und dann geht das irgendwie so langsam los und dann dauert das ewig, bis dann unser Baby da ist.“ Und das war sehr anders. Es hat ungefähr drei Stunden gedauert von Zuhause, wo wir losgefahren sind, bis dann unser Sohn da war. Und das war doch sehr schnell. Und da war schon das erste eingetreten, wo ich so nicht mit gerechnet hatte. Und dann als er da war? Ja, es sind so die vielen kleinen Sachen einfach. Also ich kann es schwer beschreiben. Also natürlich wusste ich irgendwie zum Beispiel, dass man den natürlich wickeln muss. Aber wie schwierig das dann ist, ein Baby zu wickeln, was einfach überhaupt keine Lust hat, gewickelt zu werden und das auf einmal gefühlte zehn Hände und sieben Beine hat – das hätte ich so nicht gedacht. Also ich habe ja auch schon einmal andere Babys gewickelt, aber irgendwie ja, war das am Anfang sehr schwierig, dieses Kind irgendwie so zu wickeln, dass nicht der halbe Wickeltisch immer schmutzig ist und alles immer runtergefallen ist und das auch nicht zehn Stunden dauert.

P: Ja, weil es ist wirklich so, weil auch die Babys müssen lernen, was das Wickeln ist.

S: Ja.

P: Ja? Weil für sie ist das auch alles neu. Und dessen ist man sich manchmal als Mutter oder als Vater auch nicht so bewusst, dass für die Babys einfach/ es ist wirklich alles neu, oder?

S: Ja, genau.

P: Die Eltern sind neu, die Umgebung ist neu, dann kommt da noch so eine Windel dazu oder was auch immer dazu kommt.

S: Ja.

P: Am liebsten würden sie nichts anhaben, oder?

S: Ja, genau, am liebsten würde er nichts anhaben. Ja.

P: Genau. Genau. Was würdest du sagen, welche Fähigkeit oder welche Stärke hast du jetzt in den letzten vier Monaten bei dir neu entdeckt oder vielleicht entwickelt oder die sich verstärkt hat durch das Mama Sein, durch das Eltern Sein?

S: Ja das hatte ich ja vorhin mit dem Kalender schon kurz angedeutet: Das ist wirklich eine neue Fähigkeit von mir, dass ich viel, viel entspannter mit Zeitdruck umgehen kann, wie vorher. Und das habe ich mir vorher oft gewünscht. Also dass ich entspannter sein kann und ich mich nicht so von allen Sachen stressen lasse. Und das musste ich durch meinen Sohn einfach jetzt lernen. Also auch die Wohnung kann nicht immer super ordentlich sein und ich kann nicht immer alles das schaffen, was ich mir vorgenommen habe. Aber es ist auch nicht so schlimm. Also es macht mir nicht mehr so viel aus wie vorher. Ich würde sagen ich bin nicht mehr ganz so perfektionistisch veranlagt. Und was außerdem noch sehr schön ist – ich weiß nicht, ob man das als Stärke bezeichnen kann – aber so ein vier Monate altes Baby findet alles spannend. Also einen Marienkäfer, die Blätter, ich weiß nicht, die Sonne, irgendwelche Staubkrümel auf dem Sofa. Und so den Blick für die ganz, ganz kleinen Sachen, die einfach schön und spannend sind, den bekommt man wieder neu, wenn man so einen kleinen Wurm hat, der einfach schon begeistert ist, wenn er aufm Rasen liegt.

P: Genau. Also das bewundere ich auch bei Kindern, dass sie eben wirklich die Welt mit ganz anderen Augen sehen als wir.

S: Ja, auf jeden Fall.

P: Das finde ich teilweise beneidenswert, muss ich sagen.

S: Absolut, ja.

P: Du hast gesagt, du warst vorher recht strukturiert und warst dann praktisch gezwungen, von heute auf morgen das anders zu machen. Vorhin hast du ja gesagt, eine deiner Strategien war, den Kalender wegschmeißen und dir einen neuen kaufen, wo keine Zeitangaben sind. Gab es noch etwas, wo dir geholfen hat, dieses „Es muss nicht alles perfekt sein, es reicht auch, wenn es eben nicht aufgeräumt ist oder wenn das Fläschchen nicht gerade jetzt abgewaschen ist oder wenn die Wäsche nicht zusammengelegt ist.“ – was für Strategien hast du da angewendet für dich?

S: Also zum einen habe ich mich mit anderen jungen Müttern ausgetauscht. Also ich hatte zum Beispiel einen sehr tollen Rückbildungskurs, wo man einfach gemerkt hat: Den andern Mamas geht es ganz genauso. Und dann kann das ja alles nicht so schlimm sein. Also wenn wir da zu zehnt sind und wir finden alle zehn, dass es immer ein bisschen unordentlich bei uns Zuhause aussieht im Moment und unsere Babys machen aber eigentlich alle einen ganz glücklichen Eindruck, dann kann man da vielleicht irgendwie – ja, wie soll ich das sagen? – darauf verzichten, dann immer alles zu putzen und merkt, dass es trotzdem alles gut ist. Und manchmal auch einfach mein Freund, der mit mir geschimpft hat, wenn ich dann einmal wieder aufräumen wollte, wo er dann gesagt hat „Hey Stephi das ist jetzt gerade nicht so wichtig. Spiel einfach mit deinem Sohn.“ Und ja.

P: Sehr schön, ja. Wenn du jetzt in ein oder zwei Sätzen werdenden Eltern einen Tipp mitgeben solltest – also was sollten werdende Eltern unbedingt wissen?

S: Also ich glaube es ist ganz, ganz wichtig, auf sein eigenes Bauchgefühl zu hören. Also man kann vorher jede Menge schlaue Bücher lesen und sich mit anderen Leuten austauschen – aber wenn das Baby dann da ist, dann hat man ein ganz gutes Gespür dafür, was man machen soll und was nicht und was dem Kleinen gut tut und was nicht. Und ich glaube, man sollte sich nicht zu sehr von den anderen Leuten verunsichern lassen, besonders nicht von irgendwelchen Eltern oder Großeltern oder Onkels und Tanten, die ALLES besser wissen und einem ständig Tipp geben wollen und „He, du musst das doch jetzt so machen!“, „Der Kleine muss doch schon durchschlafen!“ und hier und da. Sondern einfach zu sagen „Nein, wenn ich etwas wissen möchte, dann frage ich, aber ansonsten lasst mich das bitte so machen, wie ich das für richtig halte, und redet mir da nicht ständig rein.

P: Sehr schön. Du hast vorhin ein Buch erwähnt, dass man sich da nicht verunsichern lassen soll von Büchern. Gab es irgendein Buch oder ein Hörbuch, wo dir geholfen hat, in einer bestimmten Situation? Vielleicht schon während der Schwangerschaft oder auch nach der Geburt, wo du gesagt hast „Ja, also ich das gelesen habe, wurde mir das und das bewusst.“

S: Also wir haben zu Weihnachten ein Buch bekommen, das heißt „Beim ersten Kind gibt’s 1000 Fragen“. Und da steht im Vorwort, dass die Autorin das so geschrieben hat, also würde sie das ihrer besten Freundin erzählen. Und das ist tatsächlich so ein bisschen gelungen. Da sind wirklich ganz, ganz viele Fragen und die sind ganz kurz beantwortet. Und das fand ich sehr hilfreich vorher, auch in Bezug auf die Geburt und was da auf einen zukommt, das schon einmal zu lesen. Jetzt, wo mein Sohn da ist, habe ich ein anderes Lieblingsbuch, das heißt „Babyjahre“ und da ist es so, dass zu jedem Kapitel – also Schlafen, Essen, oder körperliche Entwicklung oder was auch immer – das so unterteilt ist in ich glaube vor der Geburt, null bis drei Monate und dann das nächste ist auf jeden Fall ab vier Monate, was die Kinder so normalerweise können. Allerdings ist es in dem Buch so, dass ganz, ganz deutlich ist: Die Kinder machen das einfach in ihrem eigenen Tempo und es ist wirklich überhaupt nicht schlimm, wenn irgendwer etwas erst früher oder später kann. Während in vielen anderen Büchern, die ich gelesen habe, man schon fast Angst bekommt, wenn das Kind sich jetzt noch nicht drehen kann und „Oh nein! Das ist jetzt aber eigentlich der Zeitpunkt dafür!“ Und dieses Buch ist da irgendwie entspannter. Es macht einfach deutlich „Oh, einige Kinder lassen vielleicht auch das Krabbeln aus oder wollen sich gleich hinsetzen, obwohl es eigentlich dafür noch viel zu früh ist.“ Es hat mich ein bisschen beruhigt so. Weil es einfach aus dem Alltag – ich glaube es ist auch ein Kinderarzt, der das geschrieben hat – geschildert war und ganz viele verschiedene Kinder geschrieben wurden und da ein kleines „Ach, mein Sohn findet da auch irgendwo sein Fenster.“ Also er fällt nicht total aus der Norm, sondern eigentlich fallen alle Babys aus der Norm.

P: Genau.

S:gibt es nicht.

P: Genau. Jedes Baby ist ein Individuum. Das ist wirklich so, ja. Genau. Was mich noch interessieren würde, ist: Wie macht ihr das mit der Rollenaufteilung bei euch? Du bist Zuhause, hast du gerade vorhin erzählt. Arbeitet dein Partner voll oder unterstützt

S: Also er arbeitet Teilzeit. Und was aber ganz besonders ist, ist, dass wir im Februar tauschen. Also im Februar werde ich dann anfangen, wieder zu arbeiten und der Papa bleibt dann ein halbes Jahr mit dem Kleinen Zuhause.

P: Ah ja, das ist super. Schön. Ja.

S: Und am Anfang sind wir beide zwei Monate komplett Zuhause geblieben. Und ja, das mit dem Alltag ist so: Jeder macht das, was sich so ergibt. Also wir haben jetzt nicht klar aufgeteilt der eine macht irgendwie das. Und aber es ist sehr praktisch, dass mein Freund sehr gerne kocht und ich nicht, und dass also für unser leibliches Wohl auf jeden Fall gesorgt ist, egal, ob Jonas, ob unser Sohn jetzt Hunger hat oder nicht. Und das ist auf jeden Fall schon einmal sehr praktisch. Und mit dem zuhause Bleiben ist es so, dass wir zuerst dachten „Naja, ich verdiene wahrscheinlich irgendwie ein bisschen mehr und ach, es ist vielleicht auch ganz schön.“ Und wir dann auch sehr viel naja, Kritik nicht unbedingt, aber auf sehr viel Gegenwind gestoßen sind, die gesagt haben „Oh, hast du dir das auch gut überlegt? Der ist doch dann noch so klein!“ Und jetzt, wo unser Sohn da ist, sind wir total glücklich, dass wir das vorher so überlegt haben, dass wir uns das aufteilen, weil wir denken, dass es wirklich perfekt ist. Auch gerade so jetzt wo er noch so klein ist, bleibe ich Zuhause. Ist auch besser, weil stillen könnte sein Papa ihn ja einfach nicht.

P: Genau.

S: Aber ich denke, dass es gerade, weil es ein Junge ist, auch wirklich schön ist für die beiden, wenn sie schon von Anfang an so viel Zeit miteinander verbringen können. Und ja, auch einfach: Männer machen einfach andere Sachen mit Babys. Und ich glaube, für ein Kind, was dann ungefähr ein Dreivierteljahr alt ist, ist es genau perfekt, dass dann Mama auch ab und zu einfach einmal nicht da ist. Und ja.

P: Das finde ich wirklich eine ganz, ganz große Qualität für beide, also für das Kind und für den Vater. Ich habe das beim ersten Kind bei mir nicht gemacht, beim zweiten und dritten schon, und ich möchte diese Zeit nie mehr missen oder ich habe mich dann gefragt „Mein Gott, warum habe ich das nicht schon beim ersten gemacht?“, weil das wirklich etwas ganz, ganz besonderes ist und eine Beziehung zu dem Kind, die wird einfach anders, wenn man eine längere Zeit mit ihm zusammen ist. Habe ich jetzt so erfahren dürfen.

S: Ja. Ja, finde ich auch.

P: Was mich noch interessieren würde: Du hast gesagt okay, dein Partner bleibt Zuhause – war das ganz einfach möglich vom Arbeitgeber her oder von seinem Job her? Oder gab es da Schwierigkeiten?

S: Nein, das war glücklicherweise sehr leicht. Also beim ihm zu mindestens. Bei mir – ich hatte ja schon gesagt, ich bin Lehrerin – war das leider sehr schwierig. Also weil ja immer das Schuljahr nur im August und im Februar wieder losgeht, musste ich einfach dann schon entscheiden „Wann fange ich jetzt wieder an, zu arbeiten?“ Deswegen auch der Februar als Februar, der dann jetzt rückwirkend gesehen total praktisch für uns ist. Aber am Anfang dachte ich es ist eigentlich schade, dass Lehrerbabys nach Schuljahr geboren werden müssen und nicht dann, wenn sie einfach kommen.

P: Genau.

S: Also das fand ich schon schwierig und dachte irgendwie gerade wenn man irgendwie in einer Schule arbeitet, wo man ja auch darauf angewiesen ist, dass andere Menschen Kinder bekommen, hatte ich gehofft, dass das leichter ist, das zu realisieren, wie man wieder einsteigt. Aber so geht es jetzt auch und so ist es glaube ich für uns perfekt.

P: Schön. Mich würde noch interessieren – und zwar auch wenn der Jonas noch mit vier Monaten recht klein ist – was macht ihr beide, also du und dein Partner, wenn es verschiedene Ansichten in der Erziehung gibt oder verschiedene Ansichten, wie man das macht oder jenes macht? Wie geht ihr damit um?

S: Ja ist nicht ganz leicht. Also wir versuchen vor allen Dingen, dafür zu sorgen, dass Jonas das nicht zu doll mitkriegt. Also dass wir uns nicht vor ihm streiten oder so. Und dann setzen wir uns/ oder wir versuchen, uns abends in Ruhe hinzusetzen und noch einmal zu überlegen „Was war denn jetzt eigentlich überhaupt gerade das Problem?“ Weil häufig waren wir uns gar nicht unbedingt uneinig, sondern wir haben das irgendwie nur ein bisschen aus einer anderen Richtung gesehen. Vielleicht trifft es das am besten. Also und bei manchen Sachen ist es dann auch einfach so, dass wir die dann auch einfach ein bisschen anders machen. Also jetzt nicht grundlegende Dinge natürlich, aber so Kleinigkeiten. Also zum Beispiel ich möchte nicht, dass er permanent das Spielzeug aus seinem Laufstall wirft, weil ich keine Lust habe, das immer wieder aufzuheben. Sein Papa findet das ganz lustig. Also lernt er jetzt einfach schon „Ja, bei Mama kann ich mir das sparen und bei Papa kann ich das ruhig machen.“

P: Genau. Da sind ja Kinder sehr spezialisiert darauf, auszuloten, wo die Grenzen sind bei Mama und bei Papa und sie wissen ganz genau, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Das ist wirklich so, ja. Genau. Das fand ich noch interessant, weil du sagst „Wenn wir verschiedener Meinung sind, dann tun wir das nicht vor dem Jonas, sondern wir halten das so ein bisschen zurück und reden dann später darüber.“

S: Ja wir versuchen es natürlich. Es gelingt uns natürlich nicht immer, aber ja.

P: Bei was gelingt es am einfach/ also wann ist es einfacher und wann ist es schwieriger?

S: Je entspannter unser Sohn ist, desto entspannter sind wir auch. Also wenn er gerade total am Kreischen und Weinen ist und es passiert dann irgendetwas, wo wir uns nicht einig sind, dann ist es auch immer schwer, dann ruhig zu bleiben, wenn man ohnehin schon total angespannt ist und nicht weiß, was jetzt mit ihm gerade falsch ist.

P: Okay. Jetzt in Anbetracht der Zeit – wir sind schon fast bei 25 Minuten – würde ich sagen ich stelle dir noch eine letzte Frage. Und zwar würde mich interessieren: Was war so in den letzten Wochen oder in den letzten Tagen das Schönste oder das Lustigste, was du mit dem Jonas erlebt hast?

S: Also die schönsten Momente sind schon einfach immer, wenn er einen anlächelt oder wenn er neue Dinge entdeckt. Also ihm dabei zuzukucken, wie er neue Sachen entdeckt und sich einfach unglaublich an einem Blatt freut, ist einfach großartig.

P: Einfach die Lebensfreude zu sehen.

S: Ja. Ja.

P: Okay. Das wäre von meiner Seite alles. Ich möchte mich auf jeden Fall bei dir bedanken, dass du dir Zeit genommen hast, deine Erfahrungen aus deinem Familienleben mit uns zu teilen. Ich werde deinen Blog und auch die zwei Bücher, die du erwähnt hast, in den Shownotes verlinken, dass die, die es interessiert, sich das gerne anschauen können. Und ich wünsche dir und Jonas und deinem Partner eine ganz schöne Zeit oben in Hamburg.