Guter Vater zu seinDie Sehnsucht nach dem eigenen Vater und die Sehnsucht vom Vater wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden, ist etwas, das mir in meiner Praxis immer wieder begegnet und für alle Kinder ein zentrales Thema ist.

Für mich als Familientherapeutin ist klar:

Wenn Mütter – das ist zumeist der Fall, wenn wunderst – sich bei mir melden, da sie sich Sorgen um ihr Kind machen oder nicht mehr weiter wissen, dann lade ich zum Erstgespräch, wenn irgendwie möglich, immer die ganze Familie ein.

D.h. eigentlich ist es mehr als eine Einladung, ich teile mit, dass ich erwarte, dass zumindest beide Elternteile und das betroffene Kind zusammen bei mir erscheinen. Häufig erlebe ich, dass dies zunächst mit Erstaunen entgegengenommen wird, teilweise kommt da ein „aber er muss arbeiten“, meistens sehen Eltern aber dann doch sehr schnell ein, dass dies gewissen Sinn macht.

Der Vater gehört dazu!

Mehr als das, Väter spielen eine unglaublich wichtige Rolle. Nach meiner Erfahrung trägt die Anwesenheit des Vaters bei diesem therapeutischen Prozess sogar einer der Schlüsselrollen. Allem voran weil seine Anwesenheit dem Kind signalisiert:

Ich bin ihm wichtig!

Und: Väter WOLLEN in den allermeisten Fällen ein guter Vater sein!

Was Studien belegen

Väter tragen einen eigenen, einzigartigen Beitrag zur Kindererziehung bei.

Studien zeigen, dass Väter andere Aufgaben in der Kindererziehung übernehmen als Mütter.

Und sie leisten zum psychischen Befinden und der erfolgreichen Lebensbewältigung der Kinder – nicht nur kurzfristig, sondern auch längerfristig – einen zentralen Beitrag.

Väter fördern beim Kind andere Fähigkeiten als Mütter. Sie übernehmen beispielsweise mehr als Mütter Aufgaben, bei denen die Kinder in Bewegung kommen wie z.B. Klettern, Fussballspielen, Fahrradfahren.

So fördern sie nicht nur die kindliche Fitness und Geschicklichkeit, sondern auch deren Autonomie. Sie sind im Umgang mit ihren Kindern häufiger risikoreicher und mutiger – dieses Zutrauen ist zentral für die Selbständigkeitsentwicklung.

Wichtig ist auch, dass Väter ihren Kindern helfen das enge Band zur Mutter zu lösen und Beziehungen zu anderen Bezugspersonen einzugehen. Häufig erwarten Väter von ihren Söhnen mehr Disziplin und bei den Töchtern lassen sie mehr Emotionen zu.

So fördern sie zumeist unbewusst das gesellschaftliche Rollenverhalten stärker noch als Mütter.


Viele Väter sind sich ihrer Bedeutung und ihrer familiären Pflichten zum Glück bewusst und bringen sich nicht nur für das Wohl der Kinder, sondern auch für ihr eigenes Wohl intensiv in die Kindererziehung ein.

Leider gibt es aber noch immer einige Hürden, die es den Vätern nicht unbedingt leicht machen, die gewünschte Position in Familien zu übernehmen.

Guter Vater zu sein I

Gesellschaftliche und individuelle Hürden

Einige dieser Hürden sollen hier nur kurz skizziert werden:

  • Väter müssen ebenso wie Mütter einiges zuerst lernen, dazu müssen sie Erfahrungen sammeln können, ausprobieren dürfen, Handlungen einüben (wie z.B. Wickeln, Brei füttern, Kindergartenlieder singen,…). Vieles wird aber aus verschiedenen Gründen zuerst mal der Mutter zugetraut oder anvertraut. Manchmal bleiben da die Väter sehr schnell (bereits im Spital beim ersten Wickeln, beim Füttern, beim Beruhigen, …) auf der Strecke.
  • Mütter müssen lernen ihren Männern zu vertrauen und sie in ihre Vaterrolle hineinwachsen lassen. Mütter die alles kontrollieren wollen und schlecht loslassen können, lassen ihren Männern keinen Platz. Mütter müssen auch dann in ihre Männer vertrauen, wenn diese Dinge ganz anders machen als sie. Anders machen, bedeutet nämlich noch lange nicht, dass es schlechter ist!
  • Damit Väter sich wirklich Zeit für die Kinderbetreuung und –erziehung nehmen können, ist eine Teilzeittätigkeit nötig. Obwohl sich viele Männer genau dies wünschen, lässt dies die Arbeitssituation oft nicht zu. Hier bräuchte es einen gesellschaftlichen Wandel.

„Wirklich gefeiert werden nur die erziehenden Väter, die auch Karriere machen und Frau und Kinder versorgen, also die eierlegende Wollmilchsau.“               Hans Alef

  • Neben den fehlenden gesellschaftlichen Strukturen, dass Männer gar nicht reduzieren können oder dass sie kaum Vaterschaftsurlaub bekommen, gibt es oft auch eine finanzielle Notwendigkeit, dass Männer viel arbeiten müssen damit die Familie finanziell abgesichert ist.
  • In den letzten Generationen spielten die Männer bei Erziehungsfragen und Betreuungsaufgaben oft eine untergeordnete Rolle. Väter achteten am ehesten darauf, dass die Disziplin der Kinder aufrechterhalten blieb. Bezüglich einer liebevollen Betreuung der Kinder, gemeinsamen Spielens und Entdeckens fehlt vielen Männern das Vorbild.

Aus der Praxiserfahrung

Meine, evt. auch einseitige Erfahrung aus der Praxis zeigt oft ein Bild der eher abwesenden und teilweise auch verdrängten Väter. Viele Männer arbeiten viel und hart.

Studien zeigen, dass Männer nach der Familiengründung noch mehr arbeiten als vorher!

Dabei geht es oft um die finanzielle Absicherung der Familie. Kommen die Väter von ihrem langen Arbeitstag nach Hause, sind sie oft erschöpft und brauchen eher Ruhe.

Sich jetzt noch um übermüdete, überdrehte Kinder zu kümmern, übersteigt das väterliche Pflichtbewusstsein und überfordert die Vatergefühle. Die gemeinsame Familienzeit beschränkt sich auf wenige Stunden pro Tag und das Wochenende.

In dieser Zeit müssen aber auch noch viele andere Dinge organisiert und erledigt werden. Zeit sich aktiv mit den Kindern zu beschäftigen, ist kaum vorhanden.

So pendelt sich ein Alltag ein bei dem Kinder eher wenig von ihren Vätern mitkriegen und umgekehrt, wo auch Väter kaum mehr etwas von ihren Kindern mitkriegen, und wenn, dann eher indirekt über die „Rapporte“ der Mütter, die meist ja auch sehr subjektiv gefärbt sind.

Doch nicht nur für die Väter und die Mütter, an denen dann teilweise die ganze Erziehungsarbeit hängen bleibt, ist diese Situation sehr unbefriedigend, sondern auch für die Kinder!

Manche Kinder reagieren auf diese Situation mit einer Abwehrreaktion oder Frustration.

D.h. wenn Väter ihnen ein Angebot machen, lehnen sie dieses trotzig ab. So als würden sie entgegnen: Du willst ja sonst auch nicht mit mir, dann will ich jetzt auch nicht. Dabei will der Vater eigentlich nur ein guter Vater sein und eine gute Beziehung zum Kind pflegen.

Einige Kinder haben sich auch so stark daran gewöhnt, dass die Mama für alles zuständig ist, dass sich z.B. gar nicht mehr vom Papa ins Bett bringen oder beruhigen lassen.

Viele Väter berichten mir teilweise frustriert und teilweise auch traurig, dass sie daran ja gar nichts ändern können, dass das Kind ja gar nicht wolle, …

Dann ist meine Rolle häufig die, dass ich die Eltern (beide Elternteile, wohlbemerkt!) ermutigen muss wieder andere Beziehungsmuster aufzubauen. Z.B. dass die Mama einen Abend pro Woche ausgehen darf (MUSS) und der Vater alleine für die Kinder zuständig ist.

Oder dass man an manchen Wochenenden ein Papa-Kind-Tag einplanen soll.

Häufig lässt sich sehr anschaulich zeigen, dass sich die Kinder eigentlich sehr nach ihrem Vater sehnen, dass sie, die Väter, aber auch etwas investieren müssen um wieder etwas zurückzukriegen.

Guter Vater zu sein II

Oft haben Kinder lange Zeit um ihren Vater „gebuhlt“, ohne dass diese dies bemerkt haben.

Sie machten dies auf ihre, evt. sehr kindliche Weise, indem sie z.B. immer nur dem Papa ihre Dinosammlung zeigen wollten oder dem Vater baten mit ihm Rasenmähen zu dürfen.

Wenn ein Vater diese kindlichen Zeichen nicht richtig deutet und das Angebot des Kindes nicht annimmt, geben Kinder irgendwann auf und „lassen den Papa halt in Ruhe“. Sie resignieren und scheinen von ihrem Vater nichts mehr zu erwarten.

Manche Kinder machen aber auch gerade durch ein negatives Verhaltensmuster bzw. ein Störverhalten auf sich aufmerksam. Aber eigentlich geht es hier um genau das gleiche:

Sie wollen die volle Aufmerksamkeit ihres Vaters.

Notfalls erreichen sie das durch überdrehtes Verhalten, durch unanständige Kommentare oder dann im Jugendalter durch Problemverhalten. Dahinter steckt aber immer wieder die Sehnsucht nach dem Vater, nach seiner Aufmerksamkeit und bedingungslosen Wertschätzung.

Oft muss man den Eltern dies jedoch erst mal erklären.

Schafft es ein Vater wieder aktiv Zeit (und hier ist eine Zeit gemeint, in der das Kind die volle Aufmerksamkeit des Vaters hat) mit dem Kind zu verbringen, können Väter entdecken, dass sich die Beziehungen verändern.

Diese ungeteilte Aufmerksamkeit des Vaters muss nicht lange sein, sollte aber regelmässig stattfinden. Jeden Tag einige Minuten und z.B. an den Wochenenden mal ein bis zwei Stunden am Stück (z.B. auf einer Radtour, beim Fischen, mit Fussballspielen, Verstecken spielen, Vogelhaus bauen, Playmobil-Rollenspiel, …).

Übrigens ist dies für Mädchen genauso wichtig wie für Jungs – zumindest vor der Pubertät, dann ändert sich das Bedürfnis der Art der Beschäftigung allmählich und ist je nach Geschlecht und Individualität des Kindes unterschiedlich.

Ich erlaube mir also in meiner Rolle als Familientherapeutin den Vätern die Hausaufgabe mitzugeben, sich aktive Vater-Kind-Zeit zu nehmen. Zeit in der der Vater seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Kind schenkt und sich ganz auf die Beziehung zu seinem Kind einlässt (gemeinsames TV schauen zählt da nicht!).

Guter Vater zu sein IIIOft haben Kinder sehr schnell eine Idee, was sie gerne mit ihrem Papa machen möchten (ausser wenn die Beziehung zwischen Vater und Kind bereits sehr belastet oder verunsichert ist).

Ich rate dann dazu, verschiedene Aktivitäten auszuprobieren und auch abzuwechseln. Wichtig scheint mir, dass man gemeinsam etwas findet, dass beiden Spass und Freude macht. Denn auch die Kinder haben am meisten davon, wenn es ihren Vätern auch gut gefällt und gut geht dabei.

Interessanterweise berichten mir dann in der nächsten Sitzung viele Väter, dass diese gemeinsame Zeit für beide toll war, das Kind habe aber im Anschluss wieder oder gar noch MEHR „blöd getan“.

Ich kann dann entgegnen, dass ich dies schon so erwartet habe… Dabei erkläre ich, dass es nur verständlich sei, dass das Kind nach so einem schönen Moment mit dem Papa alles versucht habe um die weitere Aufmerksamkeit des Vaters auf sich zu ziehen. – Auch jetzt noch auf diese eher negative Art und Weise.

Zudem kommt, was ebenfalls verständlich ist, dass das Kind frustriert ist, wenn die tolle Papa-Zeit zu Ende geht. Darf ein Kind aber über längere Zeit erleben, dass diese Zeit mit dem Papa Bestand hat, und schafft man es, sich auf die gute Zeit zu konzentrieren und die negativen Reaktionen wenn möglich zu ignorieren, dann wird sich dieses Verhalten in der Regel bald legen. – Es hat nämlich seinen Dienst getan.

Manchmal erlebe ich, dass Väter sehr hilflos sind und selber kaum wissen, was sie mit ihrem Kind unternehmen können. Sehr oft geht das mit einer Verunsicherung des Vaters bezüglich seiner Rolle als Vater einher.

Das kann damit zu tun haben, dass er neben der Frau keinen oder kaum Platz bekommen hat um sich um seine Kinder zu kümmern. – Manchmal fällt es Müttern sehr schwer ihre Kontrolle abzugeben oder dem Vater etwas zuzutrauen. Teilweise entwickelt sich das dann auch zu einem Teufelskreislauf oder einer sogenannten Selbsterfüllenden Prophezeiung:

Da der Vater keine / kaum Erfahrung im Umgang mit dem Kind hat, ist er unsicher und unerfahren, stellt sich dann evt. ungeschickt an bzw. macht Fehler und somit bestätigt sich, dass er es nicht kann…

Und kaum war der Vater mal am Zug, kommt es zu einem Misserfolg (das Kind lässt sich doch nicht durch ihn beruhigen oder er hat doch wie immer wieder die Geduld verloren oder….) und die Mutter ist wieder am Ball. Auch hier zeigt sich bei manchen Väter ein riesen Frust, der ab und an mal in Resignation endet: Dann halt nicht.

Für eine Frau kann dies eine Aufwertung ihrer Rolle und ihrer Person bedeuten.

– Eine Bestätigung, dass man es doch besser kann. Und da es wichtig ist Bestätigung zu bekommen, kann dies dazu führen, dass auch Frauen unbewusst nichts an diesem Verhaltensmuster verändern möchten. Letztendlich ist es aber doch auch nur wieder Stress für sie, da so alles an ihr hängen bleibt.

Manchmal müssen Väter (manchmal auch Mütter) aber auch erst (wieder) lernen sich von einer rein kopflastigen, zielorientierten Arbeitshaltung zu lösen und sich auf ein gemeinsames Spiel einzulassen. Es geht um eine Beziehungserfahrung, die an keine Bedingung geknüpft ist.

Wo erlebt man so etwas schon, wenn nicht in der eigenen Familie!?

Die Verunsicherung eines Mannes hat sehr häufig auch damit zu tun, dass er selber kein Vorbild hatte. Erstaunt stelle ich immer wieder fest, dass mir Väter berichten, dass ihr Vater nie etwas mit ihnen gespielt oder unternommen habe.

Das höchste der Gefühle war, dass der Vater einem auf den Fussballplatz begleitet hat.

– Eine ganze Generation erinnert sich an abwesende, nicht-spielende Männer, die die Hauptrolle als „Ernährer“ oder „Familienoberhaupt“ gespielt haben, nicht aber als Vater, der sich an der Erziehung beteiligt und der in Beziehung tritt, der spielt, zuhört, tröstet.

Woher also ein Bild haben, was ein Vater so zu tun hat? Woher die Erfahrung nehmen, wie man eine Vater-Sohn-Beziehung gestalten und pflegen kann?

Manche Väter beschreiben ihre Verunsicherung auch so, dass sie spüren, dass sie nicht wie eine Mutter sein können; eine „Bemutterung“ geht als Vater gar nicht.

Meine These ist, dass Väter noch mehr verunsichert sind und noch weniger auf ihre eigene Intuition vertrauen als Mütter.

Es ist dann ein sehr grosser Gewinn, wenn ein Vater einen Zugang findet zu dem, was er sich selber als Kind von seinem Vater gewünscht hätte.

Eindrücklich in Erinnerung habe ich das Bild eines Mannes, der wirklich kaum etwas mit seinen Töchter anfangen konnte. Die Mutter liess ihn auch nicht, da er dies einfach nicht könne – immer wieder fand sie Bestätigung, dass er unfähig sei verantwortungsvoll und pflichtbewusst mit seinen Kindern umzugehen. Seinen eigenen Vater hat er nie gekannt.

Am Anfang einer Sitzung bat ich diesen Mann etwas in meinem Zimmer auszusuchen, das er sich als kleinen Jungen bei mir ausgesucht hätte. Ohne den kleinsten Moment zu zögern, holte er das grosse rote Feuerwehrauto zu sich auf den Schoss.

Das Leuchten in seinen Augen war magisch! Seine kleine Tochter spührte diese Veränderung bei ihrem sonst so abwesend und unpersönlich wirkenden Vater sofort, lief zu ihm hin und begann intuitiv mit dem Auto UND dem Vater zu spielen.

Es war nur eine kurze Sequenz, eine feine Handlung von einem hin- und herfahrenden Feuerwehrauto, Geräuschen, wie wenn Wasser aus dem Schlauch schiesst,…

Eine kurze Sequenz von höchster Intensität und Intimität zwischen Vater und Kind. Mehr braucht es nicht.

Das begriff dann auch dieser Vater.

Ihre

Sara und Peter Michalik

PS: Glückliche Beziehungen sind keine Glückssache!

Hier noch ein Hinweis für alle heldenhaften Väter: www.freshdads.com  ist eine Homepage, die wir wärmstens empfehlen können!


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