Die zentrale Frage ist nicht ob, sondern was Kinder und Jugendliche für Aufgaben im gemeinsamen Haushalt übernehmen sollen. Dass es dabei nicht in erster Linie um die Unterstützung oder Entlastung der Eltern geht sondern um die Kinder selbst, erfahren Sie in diesem Artikel.
Bespricht man mit Eltern die Frage, ob Kinder im Haushalt mithelfen sollen, erlebt man ganz unterschiedliche Haltungen. Oft höre ich von Eltern, dass sie sich aus folgenden Gründen gegen eine Mithilfe aussprechen:
- „Kinder sollen ihre Kindheit geniessen dürfen, sie werden früh genug erwachsen.“
- „Sie haben ja genug mit der Schule zu tun, da sollen sie wenigstens ihre Freizeit geniessen dürfen.“
- „Zumeist gibt es eine riesen Diskussion, wenn das Kind was helfen soll. Da mach ich es doch lieber gleich selbst, das geht erst noch schneller.“
All diese Aussagen sind richtig!
Und dennoch scheint es mir aus pädagogischer und psychologischer Sicht sogar ungemein wichtig, dass Kinder im gemeinsamen Haushalt mithelfen.
Kinder helfen im Haushalt – aber warum ist das wichtig?
Lassen Sie mich einige Überlegungen dazu aufzeigen:
1. Kleine Kinder WOLLEN mithelfen
Kleine Kinder lernen überaus intensiv und fast ausschliesslich durch das Nachahmen ihrer Bezugspersonen. Sie wollen ebenso wie Mami und Papi beim Kochen helfen, Staubsaugen oder einen Hammer in der Hand halten.
Für sie ist das Spiel, Lernen und soziale Interaktion zugleich. Natürlich erleben wir dieses Verhalten noch selten als hilfreich, da das Kind selber noch sehr viel Hilfe und Unterstützung braucht bei seinen spielerischen Tätigkeiten.
Und so wird das gemeinsame „Kochen“ schnell mühsamer als wenn ich es alleine mache, und der Boden ist leider nur sehr oberflächlich gesaugt. Da es bei dieser Art von Hilfe aber um wichtige Lernprozesse geht, sind solche gemeinsamen Aktionen für die Entwicklung des Kindes oft wertvoller als wir denken.
Dazu kommt, dass wir dem Kind durch das Unterbinden der Mithilfe signalisieren, dass es etwas nicht gut genug kann („das kannst du noch nicht“, „das ist gefährlich für dich“) oder grad nicht erwünscht ist („ohne dich bin ich schneller“, „geh was spielen, ich habe keine Zeit für dich“).
Wenn es uns aber gelingt das Kind einzubinden und zu akzeptieren, dass das Endprodukt vielleicht etwas anders herauskommt als wir es uns vorgestellt haben, dann gewinnt das Kind, denn es wird stolz sein und neue Erfahrungen sammeln.
Und wir gewinnen für später, denn das Kind lernt sehr schnell und wird immer mehr auch selbständig können.
2. Spätestens im Jugendalter
erwarten wir und letztlich auch die Gesellschaft im Allgemeinen, dass Jugendliche zunehmend mehr Verantwortung übernehmen und Selbständigkeit zeigen. Wie sollen sie das aber lernen, wenn wir nicht schon ganz früh damit begonnen haben?
Wir können nicht erwarten, dass der Moment der Selbst-Verantwortlichkeit irgendwann schlagartig und umfassend eintritt. Sie möchten ja auch nicht auf einmal die Geschäftsleitung übernehmen, wenn Sie nicht im Voraus Schritt für Schritt in die verschiedenen Aufgaben, die sie zu erwarten haben, eingeführt worden wären.
Verantwortungsübernahme für sich und andere beginnt in der Kindheit!
Verantwortungsübernahme für sich und andere beginnt in der Kindheit!
3. Es ist gesund für die Kinder / Jugendliche
wenn sie merken, dass sie einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Es geht in der Haltung aber nicht um Pflichten um den Pflichten willen, sondern weil es Notwendigkeiten sind:
Der Haushalt muss geführt werden, das Haustier hat Hunger, das Auto muss ab zu geputzt werden, die Nachbarin braucht Hilfe bei den Einkäufen, … Wer einen wertvollen Beitrag leisten kann (darf), bekommt das Gefühl wertvoll zu sein, gebraucht zu werden.
Das stärkt die Selbstachtung und das Selbstwertgefühl! Aber bitte keine „Pseudoaufträge“, die Sie dann doch wieder korrigieren oder besser machen.
Obwohl es Jugendliche manchmal anders sehen 🙂
4. Aufgaben
die gemeinsam erledigt werden ermöglichen uns wertvolle gemeinsame Zeit. Immer wieder berichten mir Eltern, dass sie beispielsweise beim gemeinsamen Abwasch die besten Gespräch mit ihren jugendlichen Kindern hatten.
5. Letztendlich
helfen wir den Kindern so auch ein Verständnis für uns Eltern, andere Menschen und die getane Arbeit zu entwickeln. Wenn das Kind wie selbstverständlich alles vorserviert bekommt, wie soll es da verstehen, was für Arbeit, Zeit, Geduld, Anstrengung dahinter steckt?
Oft erwarten wir, dass den Kindern das einfach klar ist, dass sie dankbar sind für das was Mama oder Papa geleistet hat. Aber wir selber wissen, dass Dinge von aussen gesehen oft sehr einfach aussehen und erst durch das eigene Tun, die eigene Erfahrung deutlich wird, was für Anstrengung oder Übung hinter einer Sache steckt (ein banales Beispiel: Gitarre spielen).
Durch die eigene Erfahrung und Anstrengung gewinnt man Verständnis und Wertschätzung für eine Sache. Und gegenseitiges Verständnis fördert die Beziehung!
Umfrage: Kinder helfen im Haushalt
Fazit:
Die zentrale Frage ist daher nicht, ob Kinder mithelfen sollen und auch nicht wann, denn Kinder beginn von sich aus mitzuhelfen, sie hören aber damit auf, wenn wir es (oft unbewusst) unterbinden.
Die Frage, die Sie sich als Eltern stellen sollten ist, was das Kind mithelfen soll und in welchen Bereichen es bereits welche Verantwortung kriegt.
Wie das genau in Ihrer Familie aussehen soll, müssen Sie selber, vielleicht auch sogar schrittweise ausprobieren. Hilfreich könnten folgende Tipps sein:
Tipp Nr.1 Kinder helfen im Haushalt
Einige Aufgaben sollten (zunehmend) zu einer Selbstverständlichkeit werden. D.h. beispielsweise den eigenen Teller wegräumen gehört genauso dazu wie selbständiges Zähneputzen oder den Popo abwischen. Es ist keine besondere Aufgabe mehr, sondern gehört einfach dazu. Was soll für Sie dazugehören? Was sollte eigentlich selbstverständlich sein? (Beachten Sie: Sie sind Vorbilder, das Kind darf keine selbstverständlichen Pflichten haben, die Sie selber nicht einhalten!)
Tipp Nr.2 Kinder helfen im Haushalt
Mithilfe im Haushalt muss altersentsprechend sein. Generell müssen die Ressourcen, also Zeit, Fähigkeiten, Vorlieben des Kindes beachtet werden. Ein Kind hilft lieber im Garten, das andere mag lieber das Auto putzen (wir machen ja auch nicht alles gleich gerne). Mithelfen darf Spass machen und ein Erfolgserlebnis werden!
Tipp Nr.3 Kinder helfen im Haushalt
Besprechen Sie als Elternpaar welche und wie viel Mitarbeit sie wünschen. Ist sich ein Elternpaar uneinig wird es viel schwieriger, da Kinder den Weg des geringsten Widerstands suchen. Plötzlich enden unklare Regeln in endlosen Diskussionen. Sind sich beide Elternteile klar über den Sinn dieser Regeln? Sind beide bereit das Kind bei der Ausführung seiner Mithilfe in nötigen Masse zu unterstützen ohne ihm zuviel abzunehmen?
Tipp Nr.4 Kinder helfen im Haushalt
Beziehen Sie Ihr Kind in die Festlegung zusätzlicher (nicht selbstverständlicher) Aufgaben (Ämtli) ein. Erklären Sie ihm auch den Sinn und Ihre Haltung dahinter (wir brauchen deine Unterstützung, wir helfen uns gegenseitig, du bist auch schon gross und kannst viel,….). Was mag das Kind / der Jugendliche übernehmen? Was ist sein Beitrag (evt. braucht es auch eine Erklärung, was er als Gegenleistung dafür kriegt)? Es geht um ein Aushandeln. Dazu eignet sich die Durchführung einer Familienkonferenz. Regelmässig wird überprüft, ob die gegenseitige Unterstützung bzw. die Ämtli funktionieren oder verändert werden müssen.
Tipp Nr.5 Kinder helfen im Haushalt
Wichtig: Erteilen Sie keine Pseudoaufträge, die eigentlich gar nicht gebraucht werden. Korrigieren Sie die Arbeiten nicht oder machen es dann noch „besser“. Wenn man mit der gelösten Tätigkeit nicht zufrieden ist, sollte man das Kind fragen, ob es selber zufrieden ist. Oft merken Kinder selber, dass sie eine Aufgabe minimalistisch ausgeführt haben (und wenn nicht, müssen sie halt genau das noch besser lernen). Wenn ein Kind es tatsächlich für gut genug hält, Sie aber noch nicht zufrieden sind, sollten sie sich über ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen unterhalten und beispielsweise auch Vergleiche heranziehen (wie wäre es für dich, wenn ich dein geliebtes T-Shirt so wasche, dass es noch Flecken hat…).
Eine Warnung zum Schluss:
Erwarten Sie nicht, dass das Kind / der Jugendliche ganz ohne Rebellion oder gar mit Freude seine Aufgaben übernimmt. Es gibt immer wieder legitime Gründe gegen zusätzliche Aufgaben anzukämpfen bzw. diese vermeiden zu wollen. Egoismus ist angeboren und ist nicht grundsätzlich schlecht!
Wenn wir jedoch mit einer klaren Haltung an unseren Erziehungsvorstellungen festhalten und zusätzlich akzeptieren, dass es legitim ist, dass das Kind versucht den Weg des geringsten Widerstands zu gehen (denn auch hier muss ein Lernprozess stattfinden!), und dass es zu meiner Elternrolle gehört, daran festzuhalten, klappt es bestimmt!
GESETZ IST GESETZ?
Ob Sie es glauben oder nicht, im Bürgerlichen Gesetzbuch steht unter § 1619:
Ihre
Sara und Peter Michalik
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