Kommunikation mit KindernObwohl wir heute viel über die Bedeutung von zwischenmenschlicher Kommunikation wissen, fliesst dieses Wissen leider noch immer viel zu wenig in die Kindererziehung ein.

Ich finde es immer wieder erschreckend, wie wenig Eltern mit Ihren Kindern sprechen. Oder auch, dass viele Erwachsene wie selbstverständlich davon ausgehen, man müsse nichts sagen, da das Kind das sowieso nicht verstehe.

Warum Eltern so wenig mit ihren Kindern sprechen, mag verschiedene Gründe haben:

Vielleicht ist den Eltern nicht bewusst wie wichtig das ist, vielleicht fällt es ihnen selber gar nicht auf, vielleicht sind sie aus persönlichen Gründen sehr mit sich selber beschäftigt oder sie finden für die eigenen Probleme keine Worte.

Dieser Artikel soll deutlich machen, das und warum es für die Kindererziehung unglaublich wichtig ist, dass man viel und über praktisch alles mit den Kindern spricht.

Kommunikation mit Kindern – Die Sprache ist das wichtigste Interaktionsmittel von uns Menschen; Kommunikation macht uns zu den Menschen, die wir sind. Und das beginnt spätestens ab dem Moment wo ein Kind auf die Welt kommt.

Kommunikation mit Kindern: Im Kleinkindalter

Bereits Kleinkinder verstehen sehr viel mehr als wir oft ahnen. Auch wenn sie nicht die Worte verstehen, spüren Sie die Absicht der Eltern oder nehmen die emotionalen Reaktionen der Eltern wahr.

Wenn Sie Babys genau beobachten und sich darauf konzentrieren wie sie auf Aussagen der Eltern reagieren, dann werden Sie feststellen, wie stark Kinder auf unsere Interaktionsangebote eingehen und uns ebenfalls Angebote machen.

Ob es uns lieb ist oder nicht, Kinder spüren oft sehr genau wie es uns geht. Selbst dann, wenn wir es vor ihnen verbergen möchten.

Oft können die Kinder aber nicht richtig zuordnen, was sie spüren und sind daher manchmal verunsichert oder irritiert.


 

Im folgendem Artikel gehe ich noch vertiefter auf diese Thematik ein.

Kommunikation mit Kindern

Was zunächst nonverbal, d.h. durch Blickkontakte, Mimik und Gestik geschieht, wird mehr und mehr durch die Wortsprache erweitert.

Aber es geht bereits bei den ersten Interaktionen um viel mehr als nur darum eine Sprache zu lernen bzw. zu Wissen, wie das oder jenes heisst.

Es geht darum, dass sich dabei unsere Fähigkeit zum Denken entwickelt und das Selbstbewusstsein erwacht.

Kommunikationsangebote sind Beziehungsangebote!

Wenn wir als Eltern unser eigenes Verhalten kommentieren und äusseren, was als Nächstes kommen wird, helfen wir dem Kind die Welt zu begreifen und einzuordnen, was passiert.

Das Kind kriegt nicht nur zunehmend ein Verständnis dafür, welches Objekt wie heisst, sondern es kann Abläufe und Zusammenhänge erkennen und begreifen.

Ein Beispiel:

Eine Mutter möchte ihr Kind füttern. Dieses liegt zufrieden auf dem Boden und ist mit dem Betrachten seiner Händchen beschäftigt. Die Mutter nimmt (für mich als Zuschauerin unerwartet und plötzlich) das Kind vom Boden auf, setzt es in den Stuhl und beginnt das Kind zu füttern. Sie steckt den Löffel in den Brei und hält ihn dem Kind vor den Mund bzw. steckt ihn in den Mund. Das geschieht alles völlig wortlos.

Als Zuschauerin bin ich erstaunt: Das Baby versteht sehr rasch. Scheinbar ist es solche Abläufe (eben noch war ich am Spielen, jetzt steckt ein Löffel mit Brei in meinem Mund) gewohnt. Ich aber frage mich: Welches Bild der Welt kriegt dieses Kind vermittelt? Was versteht dieses Baby? Wie begreift es die Welt?

UND:

Wie anders würde das Kind die Welt wahrnehmen, wenn die Mutter während diesem Ablauf mit dem Kind spricht und ihm jeweils sagt, was sie beabsichtigt und was als nächstes kommen wird?

Wir können noch einen Schritt weiter gehen und uns nach den Gründen fragen:

Möglicherweise ist diese Mutter vor allem mit ihrem Handy beschäftigt. Vielleicht ist sie aber auch einfach eine schweigende Mutter oder aber depressiv und apathisch.

Warum spielt das eine Rolle? Es geht hier ja nur ums Füttern; ums Versorgen des leiblichen Wohls dieses Kindes. – Ich bin überzeugt, dieses Beispiel (wenn wir es uns lebhaft vorstellen können) macht deutlich, dass selbst wenn wir unsere Kinder gut versorgen, es eine grosse Rolle spielt, was für Interaktionsangebote wir unseren Kindern – schon im Kleinkindesalter – machen.

KindererziehungKommunikation mit Kindern: Man kann nicht nicht kommunizieren

Blickkontakt, ein Lächeln, ein Stirnrunzeln, aber auch Schweigen, Nichts sagen, … all das ist für den Menschen Kommunikation und Interaktion. Seit Watzlawick[1] wissen wir:

Man kann nicht nicht kommunizieren. Das gilt für jegliche Interaktion zwischen Menschen und auch für die Interaktion mit einem Baby! Auch wenn das Baby selber noch nicht spricht.

Schweigende Eltern bzw. Bezugspersonen drücken mit dem Schweigen dem Kind gegenüber auch etwas aus. Und je weniger Interaktion (also Mimik, Gestik, Sprache) stattfindet, umso weniger ist die Bezugsperson in Beziehung mit dem Kind.

Wenn aber eine Mutter oder ein Vater das Baby anlächelt, bevor es aufgenommen wird und ihm sagen, was als Nächstes gemacht wird, treten die Eltern nicht nur in Beziehung mit dem Kind, sondern steuern damit auch die Aufmerksamkeit des Kindes.

Sie geben Handlungen Worte, beschreiben Abläufe, machen Zusammenhänge deutlich, drücken durch die Betonung evt. auch die emotionale Färbung des Kommenden aus („Mhhh, das wird lecker, da freust du dich aber…“) usw.

Dieses Videobeispiel macht deutlich, wie wichtig der Austausch zwischen Eltern und Kind ist:

Eltern-Kind-Austausch (Video)

Wichtig: Emotionale Reaktionen benennen

Besonders wichtig scheint mir, dass wir für emotionale Reaktionen von uns oder dem Kind Worte finden. Denn genauso wie wir Eltern lernen die Reaktionen des Kindes zu lesen, liest das Kind auch uns.

Bestimmt haben Sie auch schon beobachtet, dass wenn ein Kind sich erschreckt oder sich wehtut sofort Blickkontakt mit der anwesenden Bezugsperson sucht. So als würde es uns fragen: Bist du auch erschrocken? Muss ich beunruhigt sein oder nicht?

Wenn Eltern dann zum Beispiel nach einem lauten Knall das Kind freundlich anlächeln statt ängstlich oder erschrocken dreinzuschauen, kann sich das Kleinkind oft schnell wieder beruhigen.

Wenn die Eltern dabei nicht nur beruhigende nonverbale Reaktionen zeigen, sondern auch noch Worte finden für das Geschehene und noch weiter gehen und sogar die Gefühle des Kindes benennen, dann kann das Kind die Welt und auch die eigenen inneren Reaktionen zunehmend besser verstehen und benennen.

Etwa so:

Das war ein lauter Knall. Das war der blaue Ballon, der ist jetzt geplatzt, weil du ihn zu stark gedrückt hast. Da bist du jetzt richtig fest erschrocken. Ich bin auch gerade etwas erschrocken. Du brauchst aber keine Angst haben…“


 

7 Gründe, warum Kommunikation mit Kindern wichtig ist und Eltern mit Kindern möglichst viel sprechen sollten

Ich plädiere grundsätzlich dafür möglichst viel mit den Kindern zu sprechen. Als Kinderpsychologin gibt es für mich einige Gründe, warum das in der Kindererziehung wichtig ist:

 1. Grund

Obwohl natürlich das Alter und die Entwicklung des Kindes mitentscheidend ist wie und über was alles mit dem Kind gesprochen wird, soll man mit allen Kindern, also zwingend auch mit Kindern, die selber noch nicht sprechen können über möglichst alles sprechen.

Besonders wichtig ist das bei grösseren familiären Ereignissen wie Geburt eines Geschwisters, Trennung, Krankheit eines Elternteils oder ähnliches. Alles andere verstärkt irrationale Ängste und kindliche Erklärungsversuche.

Sonst kann es nämlich schnell geschehen, dass beispielsweise ein Kind im magischen Alter, das noch an den Osterhasen glaubt, auch davon überzeugt ist, dass es schuld sei, dass Mama so traurig ist…

 2. Grund

Zentral ist nicht nur was wir sagen sondern viel mehr wie wir es sagen. Wie bereits ausgeführt, nehmen bereits Kleinkinder sehr viel über die Körpersprache oder die Stimmung wahr. Vor allem der Blickkontakt spielt eine sehr wichtige Rolle.

Für die noch ganz Kleinen ist der Blick sogar das wichtigste Kommunikationsmittel. Der Blickkontakt vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Halt.

 3. Grund

Ich spreche mich stark dafür aus, dass wir unsere Gefühle und die beobachteten Gefühle bei anderen Menschen benennen.

Bei meinen eigenen Gefühlen kann ich das explizit tun:

Ich bin sehr traurig, weil die Katze gestorben ist“.

Beim Kind kann ich es indirekter tun, z.B. eine Vermutung ausdrücken, da ich dem Kind ja auch nicht Gefühle unterstellen sollte, die es gar nicht hat.

Ich kann also sagen:

Könnte es sein, dass du wütend auf Max bist, weil er dir das Auto kaputt gemacht hat?“

Oder:

An deiner Stelle wäre ich jetzt ganz schön wütend, wie geht es dir damit?“

Ich bin überzeugt, dass dieses Sprechen über das Befinden uns hilft, uns selber besser zu verstehen und uns selber ernst zu nehmen.

So bilden sich unser Selbstbewusstsein und unser Verständnis für andere Menschen aus. Es ist letztlich der Weg, den Umgang mit unseren Gefühlen zu lernen. In der Psychotherapie setze ich sehr oft zuerst hier an: Gefühle, Gesichtsausdrücke oder aktuelles Befinden wahrnehmen, benennen und erkennen lernen.

 4. Grund

Das Sprechen über soziale Situationen (typischerweise bei Schulkindern: Pausenplatzsituation) hilft dem Kind Situationen und Reaktionen anderer Kinder zu verstehen.

Diese Gespräche ermöglichen einen Perspektivenwechsel.

Könnte es sein, dass Susi dich ignoriert hat, weil du ihr gestern nichts vom Pausenbrot abgegeben hast? Oder was meinst du?“

„Das verletzt dich jetzt aber, dass sie so reagiert hat – oder?

Ich kann dem Kind Handlungsalternativen aufzeigen und mit ihm zusammen Lösungen für schwierige soziale Situationen suchen.

 5. Grund

Eine Erziehungsmassnahme ohne Erklärung ist meiner Meinung nach selten hilfreich. Wenn das Kind etwas lernen soll, dann braucht es auch eine Erklärung, was nicht gut lief und eine klare Ansage, was das nächste Mal besser laufen sollte.

Es geht nicht darum, stundenlang auf das Kind einzureden, manchmal braucht es auch einfach mal eine klare Konsequenz (TV wird ausgeschaltet, wenn die Zeit um ist). Aber jede Handlung braucht mindestens eine Erklärung.

Manchmal versteht das Kind dann trotzdem noch nicht, was wir Eltern im Moment meinen; darauf kann ich als Mutter nicht unbedingt hoffen. Aber längerfristig kann ein Kind nur zur Einsicht kommen, wenn es wirklich begreift, um was es den Eltern geht.

Übrigens helfen Erklärungen auch uns Eltern nochmals der genauen Absicht unserer Massnahme auf die Spur zu kommen.

Das Argument:

Weil ich es so will und damit basta!

ist kein hilfreicher Erziehungsansatz.

Als vertiefte Auseinandersetzung mit der eigenen Erziehung empfehle ich Ihnen die 20 Reflexionsfragen für ein bewusstes Erziehen.

wie erziehe ich mein kind richtig I

 

20 Reflexionsfragen für ein bewusstes Erziehen.

 6. Grund

Eltern, die mit ihren Kindern viel sprechen sind Vorbilder, die aufzeigen, dass man viele Probleme durch ein Gespräch lösen kann, und dass man andere Menschen durch ein Gespräch besser verstehen kann.

Viele unserer Blog-Artikel machen deutlich, dass eine Kommunikationsbereitschaft Beziehungen positiv beeinflussen und helfen können.

Kommunikation mit Kindern I

 7. Grund

Das Gespräch hilft uns, unsere Kinder besser zu verstehen. (vgl. auch Kinder verstehen – was hilft). Unsere Kinder lernen von uns, dass man über Probleme und Gefühle sprechen kann. Bereits kleine Kinder können uns erstaunen wie viel sie bereits verstehen.

Wenn sie von uns lernen ihr Befinden in Worte zu fassen und ihre Absichten auszudrücken, haben wir einer der wichtigsten Wege zum Kind bzw. ein starkes Mittel für unsere Beziehung. Denn nochmals:

Kommunikationsangebote sind Beziehungsangebote!

Ihre

Sara und Peter Michalik


Foto© Olesia Bilkei – Fotolia.com

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[1] „Paul Watzlawick (* 25. Juli 1921 in Villach, Kärnten; † 31. März 2007 in Palo Alto, Kalifornien) war ein österreichisch-amerikanischer Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Soziologe, Philosoph und Autor. Seine Arbeiten hatten auch Einfluss auf die Familientherapie und allgemeine Psychotherapie.“ (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Watzlawick, Januar 2015)

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