Als Eltern erleben wir täglich Augenblicke, in denen das Kind ganz anders reagiert als wir erwartet haben. Oft fühlt sich das sehr frustrierend an, weil wir ja eigentlich unser Bestes geben. Wenn es uns gelingt in die kindliche Perspektive zu wechseln, können wir verstehen, dass es bei dem Kind zumeist um „gesunde“ Grundbedürfnisse geht.
Kinder verstehen – Kennen Sie das:
- Sie haben gerade 20 Minuten mit Ihrer Tochter / Ihrem Sohn gespielt und ihr/ihm Ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt und trotzdem ist das Kind nicht zufrieden, trotzt jetzt umso mehr oder gehorcht trotzdem nicht besser?
- Sie wollen Ihrem Kind eine Freude machen und nehmen ihm eine anstrengende Aufgabe ab, doch statt dankbar zu sein, reagiert es wütend und undankbar.
- Sie wollen Ihrem Kind helfen und sitzen geduldig über den Hausaufgaben des Kindes, doch dieses arbeitet nicht besser sondern sogar noch schlechter mit als vorher.
- Sie fragen höflich: Möchtest du mir nicht beim Kuchenbacken helfen und das Kind sagt einfach „Nein!“
Als Mutter von 3 Kindern und in meiner Praxis als Familientherapeutin begegnen mir täglich solche Situationen. Oft erlebe ich uns Eltern frustriert und genervt über diese „undankbaren“ Reaktionen des Kindes. Zu Recht! Es ist oft wirklich frustrierend und anstrengend.
Doch diese Frustration hilft uns leider oft nicht weiter (im Gegenteil), denn es ist nur eine Seite, eine Perspektive der Situation. Wenn es uns stattdessen gelingt solche Situationen aus der Sichtweise und Erlebensweise des Kindes anzuschauen, wird deutlich, wie legitim das Verhalten des Kindes ist.
Kinder verstehen: Wie ist die Sicht der Kinder?
Also, schauen wir mal aus den Augen eines Kindes auf die verschiedenen Situationen:
Wieso sollte ich Freude daran finden, wenn ich so toll mit Papa oder Mama spielen durfte und sie / ihn mal ganz alleine für mich hatte und es jetzt einfach fertig sein soll? Ich will mehr davon! Es reicht noch nicht! Bitte, bitte hör nicht auf (vielleicht kriege ich wenigstens so noch etwas Aufmerksamkeit und Zeit von Papi wenn ich blöd tue).
Oder:
Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht, ich will meine Aufgaben selber erledigen können, auch wenn es schwierig und hart ist. Ich bin stolz, wenn ich es möglichst selber kann!
Oder: Mama fragt, ob ich helfen möchte, ich will aber nicht, also sage ich nein.
Kinder verstehen: Der Zweikampf
Wir neigen leider sehr oft dazu einseitig nur das Verhalten eines anderen Menschen bzw. die Reaktion des Kindes zu bewerten und vergessen oder missdeuten die eigentliche Absicht oder das Bedürfnis hinter diesem Verhalten. Sehr schnell nehme ich dann dieses Verhalten dann auch persönlich und reagiere 1 zu 1 auf dieses Verhalten. Also deuten wir: Das Kind ist undankbar, das Kind will mir nicht gehorchen, das Kind kämpft gegen mich / meine Regeln an, …
Kinder verstehen: Wechseln Sie die Perspektive
Wenn es uns aber gelingt sozusagen „hinter“ das Verhalten zu schauen und nach dem dahinterliegen Bedürfnis oder Wunsch zu fragen, können wir oft feststellen, dass es nicht darum geht „gegen uns“ zu sein sondern im Gegenteil, dass hinter dem Verhalten der Wunsch nach (noch) mehr Beziehung, nach (noch) mehr Aufmerksamkeit oder auch das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, nach Kontakt, nach Kontrolle oder nach Selbstbestimmung steckt. Es wird einfacher Kinder zu verstehen.
Kinder verstehen: Das Kind will nur das Beste (für sich)
Es liegt in der Natur des Menschen (des Kindes), dass wir Menschen möglichst das Beste für uns und unsere Situation rausholen wollen. Verzicht, Bedürfnisaufschub, Dankbarkeit, Bescheidenheit, … dass sind alles Werte, die wir zuerst lernen müssen. Und diese Werte stehen oft auch im Widerspruch zu unseren Grundbedürfnissen.
Dr. Herbert Renz-Polster (Kinderarzt aus Stuttgart) bringt es in seinem kurzen Video „Kinder verstehen“ auf den Punkt.
Kinder verstehen: Um was es geht
Wenn es uns also gelingt, das dahinterliegende Bedürfnis zu sehen,wenn es uns gelingt, die Perspektive des Kindes zu übernehmen, dann entdecken wir, welche wichtigen und kraftvollen Grundbedürfnisse und Lebensantriebe vorhanden sind. Dann gelingt es uns evtl. mehr Verständnis für das Kind zu entwickeln und unsere eigenen Frustrationen besser auszuhalten. – Eigentlich entstehen diese Frustrationen ja oft aus der Tatsache, dass unsere eigenen Bedürfnisse in Konkurrenz stehen mit den kindlichen Bedürfnissen oder den äusseren Umständen.
Doch wie kann es gelingen die Perspektive zu wechseln, wenn man selber gerade frustriert oder genervt ist?
Ihre
Sara und Peter Michalik
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