Sarah

Ich glaube, das was mir am meisten dabei hilft zu merken, dass wir eine gute Mutter Sohn Beziehung haben , ist die Reaktion meines Sohnes. Sie hilft mir das Gefühl zu haben: „Ja, es war richtig“ oder „Es ist richtig, so wie ich es mache.“

Sarah erzählt im Interview:

  • Ich bin von heute auf morgen Mutter von zwei Teenegern geworden.
  •  In der Schwangerschaft habe ich mich 9 Monate lang übergeben müssen.
  • Für meinen Mann hat sich wenig verändert, für mich alles.
  • Ich wollte auch wieder was Anderes machen, als immer nur mit diesem kleinen Kind zusammen zu sein.
  • Wie kann jetzt das zweijährige Kind sich von seinem Bruder verabschieden, der tödlich verunglück ist?
  • Als Kleinkinderzieherin habe schon ganz viel gewusst über wirklich auch kleine Kinder, über Säuglingspflege und so etwas. Aber trotzdem war diese Unsicherheit anfangs da.

Aber jetzt endlich zum Podcast!


Sarah: Wir haben eine gute Mutter Sohn Beziehung jetzt hören

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Sarahs Büchertipps:

Auf der Suche nach dem verlorenen Glück


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Transkript:

PETER: Mein heutiger Interviewgast bei „Eltern-Podcast“ ist Sarah aus Wiesbaden. Hallo, Sarah! #00:00:08-0#

SARAH: Hallo, Peter! #00:00:10-0#

PETER: Sarah, erzähle uns doch erst einmal wer du bist, was du machst und wie viele Kinder du hast. #00:00:14-7#

SARAH: Ja, ich bin die Sarah. Ich habe Religionspädagogik studiert, arbeite aber schon länger nicht mehr in dem Beruf. Ich habe jetzt die letzten Jahre mit meinem Mann zusammen in seiner Film-Firma gearbeitet. Er ist spezialisiert auf Extremismus, Terrorismus und alles was irgendwie gefährlich klingt. #00:00:35-8#

PETER: Also, aber als // nicht als Beruf, oder? #00:00:39-6#

SARAH: Er macht Filme darüber. #00:00:42-0#

PETER: Ah, er macht Filme darüber. #00:00:45-8#

SARAH: Er macht halt Filme darüber. Ja, genau. Ich habe ein Kind, ein leibliches Kind. Das ist jetzt dreieinhalb Jahre alt. Das ist mein Sohn. Und mein Mann hat quasi noch zwei Kinder mitgebracht in die Ehe. Die Tochter ist jetzt 21 und der Sohn ist letztes Jahr tödlich verunfallt, der wäre jetzt 23 geworden. #00:01:06-7#

PETER: Mhm. Mein Beileid an dieser Stelle noch. #00:01:10-2#

SARAH: Ja, danke. #00:01:12-2#

PETER: Was hat sich durch die Kinder, durch die nicht leiblichen, aber auch durch deinen Sohn // Was hat sich dadurch verändert? #00:01:22-3#

SARAH: Alles eigentlich. Also, die nicht-leiblichen Kinder, meine Stiefkinder, die haben von Anfang an dazu gehört. Die waren schon immer da. Da musste man sich am Anfang natürlich irgendwie arrangieren. Das waren Teenager damals, als ich hier ankam. Und das hat eigentlich ganz gut funktioniert, weil sie mit ihrem Vater alleine gelebt haben.

Also er war davor alleinerziehend. Und ja, wenn man so einen anstrengenden Beruf hat, wo man schon einmal 12- oder 16-Stunden-Tage hat, dann ist das für die Kinder doch sehr entspannend, wenn danach jemand da ist, der auch mal kocht, der auch mal anders sich auch noch einmal kümmern kann. Insofern war das eigentlich ein ganz entspanntes Zusammenkommen. #00:02:11-9#

PETER: Aber für dich: Du bist ja sozusagen von null auf 100 Mama geworden. #00:02:16-6#

SARAH: Genau. (lacht) #00:02:17-5#

PETER: Wie war das? #00:02:18-9#

SARAH: Das war schön, eigentlich. Wie gesagt: Sie waren ja schon Teenager. Ich jetzt nicht irgendwie plötzlich Windeln wechseln oder jemanden in den Schlaf wiegen oder so etwas; das haben die ja alles selber gemacht. Ich fand das schön. Weil sie auch sehr tolle Gesprächspartner sind beide, oder waren. Und somit hat sich das ganz gut gefügt, eigentlich. Aber es ist natürlich klar: Ich bin aus der Schweiz nach Deutschland gezogen zu einem Mann mit zwei Kindern. Und da ist auf einmal alles anders. Da kannst du das nicht mehr auseinanderhalten: Hängt es an den Kindern? Hängt das am Land? Hängt an meinem Mann, im Leben? #00:03:00-6#

PETER: Das war eine komplette Veränderung. #00:03:03-7#

SARAH: Das war eine komplette Veränderung, ja. #00:03:06-3#

PETER: Und jetzt im Vergleich dazu, dein dreieinhalb-jähriger Sohn: Wie ist das? Wie war da die Veränderung? Weil da muss man sich dann eben ums Baby doch anders kümmern. Das kommt nicht so fertig wie die Teenager auf die Welt. #00:03:22-6#

SARAH: Für mich persönlich war das das einschneidendere Erlebnis. Ich bin nach Deutschland gekommen, es war alles neu. Es war alles spannend. Ich bin von einem ziemlich gemütlichen Job als Religionspädagogin in eine völlige andere Welt gekommen, wo es um Filme geht, wo es um Umsatz, wo es um die ganzen unternehmerischen Sachen geht. Ich durfte mit auf Drehs. Ich habe gelernt wie man Kameraführung macht.

Ich habe ganz viele neue Sachen gelernt. Das war aufregend. Und dann bin ich schwanger geworden. Ich hatte eine nicht so tolle Schwangerschaft. Ich lag mehr oder weniger neun oder zehn Monate auf dem Sofa und habe mich übergeben. Und das war so „Wusch!“, in eine andere Welt. Jetzt bist du auf dich selber gestellt, musst gucken wie du klarkommst. Und dann kam dann dieses kleine Baby zur Welt. Das war auf einmal alles anders. Also, du musst dich 24 Stunden um dieses Wesen kümmern. Es war zwar ein sehr süßes Wesen. Es ist immer noch ein ganz tolles Wesen.

Aber das ändert eigentlich alles. Weil du kannst Dinge, die du davor gemacht hast – ohne zu überlegen – kannst du nicht mehr machen. Also, du kannst nicht mehr mit auf Drehs fahren. Du kannst nicht mehr mit am Schneidetisch sitzen. Du kannst nicht mehr abends einfach weggehen, ohne einen Babysitter zu organisieren, oder dann nimmst du eben das Baby mit. Wir haben ihn auch ganz viel mitgenommen und er war zum Glück ein sehr ruhiges Kind. Das ging auch gut, aber es ist als Mutter schon so, dass sich eigentlich alles ändert. Und das ist weniger freiwillig.

Also, natürlich bin ich freiwillig schwanger geworden. Aber ich war mir nicht bewusst, wie sehr es mein eigenes Sein einschränkt. Also, wie sehr es mich selber einschränkt. Dass ich nicht mehr all das machen kann, was ich gerne tue. Und dass das nicht einfach so läuft, wie man sich das manchmal vorstellt. Mir war schon bewusst, dass ich wenig Unterstützung haben werde, dadurch dass auch meine ganze Familie in der Schweiz ist.

Und mein Mann eben keine Familie hat, die uns hätte unterstützen können. Das war mir schon irgendwie bewusst, dass das schwierig werden würde, aber wie schwierig das wird, wenn man jedes Mal irgendwie einen Babysitter suchen muss, wenn man einen braucht, das habe ich mir so nicht vorgestellt. #00:06:01-8#

PETER: Das ist natürlich immer ein Aufwand, ja. Wie habt ihr das gemeistert? Also wie habt ihr das gemacht, dass es dann funktioniert hat? #00:06:10-3#

SARAH: Eigentlich ging das alles auf meine Kosten dann. Ich habe zwar nach der Geburt, als Bennet ungefähr neun Monate alt war, wieder versucht mitzuarbeiten in der Firma. Er ist dann an drei Vormittagen in der Woche fremd betreut worden. Und ihm hat es total gut gefallen. Er war gerade dabei zu grabbeln und die Welt zu entdecken.

Für ihn war das super-spannend, nicht nur mit Mama zusammen zu sein. Er hat das genossen, diese Vormittage. Ohne Ende. Und für mich war es eigentlich sehr viel Stress, weil ich zwar arbeiten wollte. Also, ich wollte auch wieder was Anderes machen, als immer nur mit diesem kleinen Kind zusammen zu sein. Aber diese drei mal fünf Stunden waren dann eigentlich doch fast ein Bisschen knapp. Und das hieß ja dann auch: Ich konnte die spannenden Sachen, die mir davor viel Spaß gemacht hatten, nicht mehr machen.

Ich konnte nicht mit auf den Dreh gehen. Ich konnte keine Kamera mehr machen. Ich konnte nur noch die Dinge machen, die mir eigentlich weniger Spaß gemacht haben. Also zum Beispiel die gedrehten Interviews abschreiben. Oder die Steuerunterlagen sortieren. Das sind so Dinge, die ich nicht gerne gemacht habe. Und das hat zu einer sehr großen Frustration bei mir geführt. #00:07:36-1#

PETER: Und wie bist du damit umgegangen; mit diesem Frust? #00:07:39-6#

SARAH: Wahrscheinlich viel zu wenig offensiv. Ich habe schon immer wieder mal gesagt: „Hör zu!“, also auch zu meinem Mann. „Mir ist nicht wohl bei der ganzen Sache. Das ist irgendwie // Ich habe mir das anders vorgestellt.“ Da hieß es immer „Jaaa, das ist halt so, wenn man kleine Kinder hat. Da musst du halt durch.“ Aber es war, wie zu wenig Verständnis, auch von ihm, da.

Für ihn hat sich ja wenig geändert. Für mich hat es sich immer so angefühlt, als hätte sich für ihn wenig geändert. Weil er ja seinen normalen Job weitergemacht hat und einfach abends oder am Wochenende, ab und zu mal, Windeln gewechselt hat; und das war es dann. #00:08:25-4#

PETER: Okay. Also hast du dich, so wie ich das höre, so ein Bisschen im Stich gelassen gefühlt? #00:08:30-5#

SARAH: Ja, sehr. Sehr. Wir haben das wie gesagt versucht zu organisieren mit dieser auswärtigen Betreuung. Bennet ist dann auch schon mit einem Jahr in die Kindergrippe gekommen, wo er dann auch Dienstag bis Freitag war. Aber selbst das hat dann von den Öffnungszeiten für mich keine Verbesserung gebracht in dem Sinne, dass ich hätte wieder die interessanteren Arbeiten hätte machen können. #00:08:57-5#

PETER: Also waren dir praktisch die Zeitabstände zu kurz, von der Betreuung? #00:09:01-6#

SARAH: Ja. Unsere Kita hat offen maximal von 7:30 Uhr morgens bis 16:30 Uhr. Und das ist halt, selbst wenn einen normalen 100-Prozent-Job hat, fast nicht zu leisten. Weil meistens hat man ja noch Anfahrtszeiten. #00:09:19-7#

PETER: Mhm, genau. Was würdest du so im Nachhinein sagen oder: Was würdest du gerne im Nachhinein anders machen? Was würdest du heute anders machen? #00:09:31-7#

SARAH: Was ich heute anders machen würde, und ich glaube daran ist letzten Endes auch die Beziehung mit zerbrochen: Ich müsste mich viel vehementer wehren und sagen „So funktioniert es nicht! Ich kann so nicht weitermachen!“ Das habe ich zwar immer wieder gesagt, aber wahrscheinlich nicht nachdrücklich genug. Ich habe zum Beispiel immer wieder gesagt: „Kannst du nicht wenigstens ein Mal die Woche das Kind regelmäßig ins Bett bringen abends?“

Und das hat dann nur so ein bis zwei Wochen geklappt und dann war wieder alles andere wichtiger. Dadurch dass ich halt auch keine Regelmäßigkeit hatte // Ich hätte gerne zum Beispiel irgendeinen Kurs besucht, was auch immer. Es kommt ja nicht darauf an was, sei das irgendwie ein Sprachkurs oder ein Nähkurs oder irgendetwas, einfach um mal raus zu kommen und etwas für mich zu machen, ohne Arbeit und ohne Kind.

Auch mit der Möglichkeit noch einmal neue Leute kennen zu lernen. Weil ich kannte ja nicht so viele Leute in Wiesbaden. Das würde ich auf jeden Fall anders machen, zu sagen: „Entweder muss halt ein Mal die Woche abends ein Babysitter her“ oder der Vater muss sich kümmern, und das regelmäßig. #00:10:52-1#

PETER: Also praktisch auf eine andere Art und Weise für sich selber einzustehen und zu sagen „So, hier ist meine Grenze und weiter kann ich nicht!“ #00:10:58-9#

SARAH: Genau. #00:11:00-9#

PETER: Okay. Gibt es eine Fähigkeit oder eine Stärke, die du durch deinen Sohn jetzt neu entdeckt hast oder neu entwickelt hast? #00:11:11-3#

SARAH: Ja, ich glaube die wichtigste, die ich immer noch entwickele, das ist wirklich zu gucken: Was brauche ich? Und was ist mir wichtig? Ich sage jetzt einfach mal ein banales Beispiel: Als Bennet seinen dritten Geburtstag gefeiert hat, habe ich ihn gefragt „Was möchtest du denn gerne essen?“ Und seine Antwort war dann ziemlich klar, er möchte gerne einen Burger haben und Kohlsalat und Baked Beans. So.

Er hat irgendwie nicht an den Kuchen gedacht. Ich weiß nicht, ob ihm das Obst nicht wichtig war oder ob er einfach gedacht hat, er muss eine vollständige Mahlzeit sich wünschen. Und dann habe ich das gemacht. Ich habe selber das Fleisch dann zubereitet, die Brötchen selber gebacken, und irgendwie habe ich dann gedacht „Geburtstag ganz ohne Kuchen ist mir auch nicht recht.“ und ich habe dann einen Kuchen gekauft.

Und dann sind seine Freunde und meine Bekannten zu seinem Geburtstag gekommen und haben da dann schön gefeiert, gegrillt, gegessen und dann kam dann halt der Geburtstagskuchen und dann sagt die eine ziemlich entsetzt zu mir: „Sag mal, hast du den nicht selber gebacken?“ Und da habe ich dann gemerkt: Hey, ich habe das Fleisch selber zubereitet, ich habe die Brötchen selber gebacken, der Kuchen war nicht auf seiner Wunschliste.

Also kann ich den auch ein Bisschen vernachlässigen. Diese Sachen, zu sagen: „Das war mir jetzt nicht wichtig!“ und sich nicht dadurch unter Druck setzen zu lassen, das nächste Mal bei seinem vierten Geburtstag eine dreistöckige Torte backen zu müssen. So diese Kleinigkeiten. Oder zu mir selber zu stehen auch. Als zum Beispiel der Bruder von Bennet tödlich verunfallt ist, man hat ja dann auch nicht viel Zeit nachzudenken, stand ich vor der Situation: Wie kann jetzt das zweijährige Kind sich von seinem Bruder verabschieden?

Für mich war irgendwie durch meine eigene Erfahrung mit den Menschen, die ich davor schon verloren hatte, klar, wenn es irgendwie möglich ist, müsste mein sein Sohn sich auch von der Leiche verabschieden können; von dem was noch da ist. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Anfeindungen ich dafür gekriegt habe, dass man so kleine Kinder nicht mit dem Tod konfrontiert. Nur: Das Leben passiert. Der Tod passiert. Er war damit konfrontiert.

Und ob er jetzt seinen Bruder noch ein Mal sehen darf oder nicht, ist das kleinste Problem in dem Moment, finde ich. Und mich von diesen Sachen nicht verunsichern zu lassen, sondern zu sagen: „Doch das ist mein Gefühl! Und für mich stimmt das so.“ Und für ihn hat es offensichtlich auch gestimmt. #00:14:11-2#

PETER: Okay. Das erleben Mütter und Väter immer wieder. Diese Erwartungen von draußen, wie etwas zu sein hat oder sein muss. Und das empfinde ich als einen wichtigen Punkt zu sagen: „Nein, ich mache das so, und das ist richtig so.“ Also auch das Vertrauen zu haben „Es ist richtig, was ich mache.“, oder? #00:14:32-0#

SARAH: Genau. Ich glaube das ist wirklich der wichtigste Punkt. Da bin ich auch immer noch am Lernen dazu zu stehen. Was finde ich richtig? Und das auch so zu machen und das zu verteidigen, im Notfall. #00:14:43-2#

PETER: Was hilft dir da dabei, wenn du merkst: „Oh, jetzt bin ich wieder in so einer Situation“? Was hilft dir da dabei dir das bewusst zu machen? Oder bewusst dazu zu stehen, innerlich für dich selber? #00:14:57-2#

SARAH: Ich glaube, das was mir am meisten dabei hilft, ist auch die Reaktion meines Sohnes. Zu merken oder das Gefühl zu haben: „Ja, es war richtig.“ oder „Es ist richtig, so wie ich es mache.“ Anderes banales Beispiel: Meistens schläft er noch bei mir mit im Bett, weil er einfach sehr viel Kontakt braucht. Er ist tagsüber nicht so körperkontakt-freudig.

Dann ist er beschäftigt. Aber in der Nacht braucht er irgendwie diese Geborgenheit noch. Ich finde das auch ganz okay, wenn er bei mir im Bett schläft. Da gibt es auch manchmal Leute die sagen „Er ist jetzt dreieinhalb. Also, so langsam muss er da wieder raus!“ Und ich finde irgendwie „Nein. Wieso?“ Es stört mich auch nicht. Und ich möchte ihm gerne diese Geborgenheit geben, wenn er sie braucht. #00:15:49-8#

PETER: Genau. Ich denke, wenn es für dich stimmt, das ist ja immer die Frage. Das muss ja für dich stimmen. Dann ist das, glaube ich, auch völlig okay. #00:16:00-5#

SARAH: Genau. #00:16:00-0#

PETER: Gab es eine oder mehrere Situationen, wo du dich gefragt hast: „Du, sag mal, ist das bei anderen eigentlich auch so, oder ist das nur bei mir so?“, im Bezug aufs Kind. (lacht) #00:16:11-5#

SARAH: Diese Situationen gab es dauernd. Angefangen, als er ganz klein war. Und ich irgendwie immer gedacht habe: „Mache ich jetzt alles richtig?“, und obwohl ich ja ursprünglich auch noch Kleinkinder-Erzieherin bin, das habe ich vorhin ganz vergessen. Ich habe schon ganz viel gewusst über wirklich auch kleine Kinder, über Säuglingspflege und so etwas. Aber trotzdem war diese Unsicherheit anfangs da. Und da habe ich mich oft gefragt: „Wie geht es denn anderen Eltern, die sich vielleicht noch nicht so intensiv mit diesen Themen beschäftigt haben?“

Ich habe ja drei jüngere Schwestern. Ich habe viele jüngere Cousinen und Cousins. Ich hatte schon als Kind viele Erfahrungen mit kleinen Kindern und Babies gesammelt. Die haben mich so durch mein Leben begleitet. Und ich glaube, es gibt ganz viele Eltern, die werden Eltern und haben keinen Kontakt gehabt davor mit Babies. Und trotzdem habe ich mich aber immer wieder gefragt: „Mache ich das jetzt richtig?“ Das ist ein Punkt, wo ich mich gefragt habe: „Ist das bei anderen auch so? Sind die auch so unsicher?“ #00:17:17-2#

PETER: Hattest du dann mehr Kontakt in der Zeit, zu deinen Schwestern und zu den Kindern? Also als Austausch. Oder // #00:17:23-8#

SARAH: Ich bin tatsächlich meiner Schwester, die ist zwar jünger als ich, hat aber drei Kinder, die drei sind älter als Bennet, der bin ich sehr viel nähergekommen. Mit ihr hatte ich davor eigentlich am wenigsten Kontakt. Und natürlich, das ist die Erfahrung, der Austausch, das schweißt zusammen. Es ist auch mal so gewesen, also meine Schwestern die waren und sind beide sehr aktiv im Samariter-Verein.

Und wenn dann so kleine Blessuren entstehen, kann es dann auch mal vorkommen, dass ich auch mal bei denen anrufe und frage „Du, sag mal, würdet ihr dabei jetzt zum Arzt gehen oder kann ich das zu Hause noch versorgen?“ Diesen Austausch, den genieße ich auch sehr. Aber auch diesen Stress, also, dass man sich, obwohl man jetzt, wenn man von außen gucken würde, wo man selber denkt: „Ja, eigentlich ist das gar keine stressige Situation.“, wo man sich selber aber so gestresst fühlt, dass man einfach auch alles nicht mehr gebacken kriegt, so richtig.

Und diese Situation, ist auch so eine Situation, wo ich so gedacht habe: „Geht das anderen auch so?“ Ich habe jetzt eine Freundin hier gefunden, mit der kann ich ganz offen darüber reden. Ja, auch über diese Überforderung. Manchmal über diese Wut, die man dann auch hat, weil sein Leben nicht mehr so läuft, wie man sich das vorgestellt hat. Aber das ist schon schwierig da Leute zu finden, die auch dazu stehen. #00:18:50-8#

PETER: Also die da ehrlich mit einem reden, ja? Wobei das eigentlich das Wichtigste wäre, glaube ich. #00:18:57-5#

SARAH: Das wäre das Wichtigste, ja. Auch mal sagen zu können: „Es ist mir alles zu viel! Und eigentlich möchte ich einfach mal eine Nacht durchschlafen und irgendjemand soll sich kümmern.“ #00:19:08-8#

PETER: Mhm. Was würdest du so im Nachhinein sagen, was war bisher die größte Herausforderung? #00:19:15-8#

SARAH: Puh. Die größte Herausforderung? Es gab viele Herausforderungen. Ich glaube, die größte ist tatsächlich aufgrund der etwas speziellen Situation gewesen, dass halt mein Stiefsohn verstorben ist. Das war auf jeden Fall die größte Herausforderung, die wir auch nicht besonders gut gemeistert haben, weil das mit ein Grund war, weshalb die Beziehung zu meinem Mann dann auseinander gegangen ist.

Aber jetzt, ich sage jetzt mal von den „alltäglicheren Situationen“, die andere Eltern auch erleben, ist, glaube ich, die größte Herausforderung für mich gewesen, wirklich wieder zu mir zu stehen und zu sagen: „Ich brauche Zeit für mich. Ich brauche Zeit ohne Arbeit. Ich brauche Zeit ohne Kind. Ich brauche Zeit, wo ich für mich etwas machen kann.“ Und ich habe eine Ausbildung angefangen dann, für Cranio-Sacral-Therapie.

Das ist eigentlich eine, ich sage jetzt mal, vom zeitlichen Aufwand her, eine relativ kleine Ausbildung. Das sind fünf mal fünf Wochen. Ne, fünf Mal eine Woche. Und fünf Mal so ein verlängertes Wochenende. Verteilt auf zwei Jahre, bis zweieinhalb Jahre. Da diese Zeit zu haben, diese ganze Woche weg sein zu können von allem. Zu wissen: „Mein Kind ist gut versorgt und ich muss mich da um nichts kümmern und kann einfach für mich etwas Neues aufnehmen, wo nur ich zähle. Da stehe ich im Mittelpunkt.“ Ich glaube, das war das Schwierigste und das Wichtigste. #00:20:58-5#

PETER: Also sich wirklich die Zeit zu nehmen, für sich? #00:21:00-7#

SARAH: Ja. Und auch, natürlich, als ich die Ausbildung angefangen habe, war Bennet gut zwei Jahre alt. Und da gab es natürlich Leute, die haben blöd geguckt, dass ich den eine ganze Woche weggebe, mit zwei. #00:21:15-1#

PETER: Und wie bist du dann damit umgegangen? #00:21:17-3#

SARAH: Ich habe gesagt: „Ich verstehe die Sorge. Mir ist logischerweise auch nicht 100 Prozent wohl dabei.“ Aber er war damals bei meiner Schwester mit den drei Kindern. Und ich wusste einfach, wenn sie das Gefühl hat, dass es meinem Kind nicht gut geht deswegen, dann ruft sich mich an und dann werde ich die Ausbildung abbrechen. Das war für mich auch klar. Also, in dem Moment hatte natürlich das Wohl das Kindes Priorität. Ich wusste aber auch, dass er dort total viel Spaß hat.

Der wurde von meinen anderen beiden Schwestern dann auch dort immer wieder abgeholt und die haben Spezial-Ausflüge mit ihm gemacht. Und er war total zufrieden, als ich ihn da nach einer Woche wieder abgeholt habe. Ihm ging es gut. Und mir ging es auch gut, weil ich mich dann wieder richtig auf mein Kind gefreut habe. #00:22:06-7#

PETER: Genau. Die Erfahrung mache ich auch oder habe ich auch bei meinen eigenen Kindern gemacht, dass die viel weniger Probleme damit haben woanders zu sein oder bei anderen, oder sogar dass sie davon profitieren, wenn sie viel Kontakt mit anderen Kindern haben oder fremdbetreut sind. Und dass es eher die Eltern sind, beziehungsweise man selber, wo man sich eher mehr Sorgen macht „Ist das gut für mein Kind? Und wie geht es ihm dann?“ Und, und, und. #00:22:33-3#

SARAH: Genau. Das ist auch meine Erfahrung. Weil die sind neugierig. Die sind offen, in der Regel. Und denen gefällt das. #00:22:41-5#

PETER: Jetzt hast du vorhin erzählt: Dein Mann war früher nicht so oft zu Hause und du hast recht viel alleine machen müssen. Und jetzt hast du eine ganz neue Situation. Jetzt bist du praktisch alleinerziehend. #00:22:54-3#

SARAH: Ja, das ist eben falsch. Ich habe eine komplett neue Situation. Ich habe, jetzt plötzlich // seit der Trennung kümmert sich mein Mann um seinen Sohn. Also, wir haben das eigentlich fast halb und halb aufgeteilt. Er hat Montag, Dienstag die Tage. Und ich habe Mittwoch, Donnerstag, Freitag. Und wir teilen uns die Wochenenden. Also jedes zweite Wochenende.

Und jetzt plötzlich klappt das. Und das war für mich, zum einen // Anfangs habe ich ganz ehrlich, gebe ich zu, gedacht: „Das zieht der keinen Monat durch!“, und habe es aber laufen lassen. Dann habe ich gemerkt: Es ist gut. Es ist nicht nur gut, es ist fantastisch. Es war für unseren Sohn eine wirklich tolle Lösung, weil er viel, viel mehr mit seinem Vater macht. Es ist für meinen Noch-Ehemann, meinen getrennten Mann, auch toll, weil der plötzlich merkt: „Ich muss abends das Kind ja müde kriegen, damit das gut schläft.

Also, die ist nicht ohne Grund jeden Nachmittag noch auf den Spielplatz gegangen.“ Und für mich ist es fantastisch, weil ich einfach zwei Tage die Woche Zeit habe und abends was machen kann, wenn ich Lust habe. Ich kann ins Bett, wenn ich Lust habe. Und das ist echt so entspannend. Das hat mich aber anfangs, oder manchmal macht es mich auch jetzt noch sehr wütend, weil ich plötzlich manchmal denke: „Wieso hat das eigentlich vorher nicht geklappt?“ Und „Hätte es vorher schon geklappt, wäre es vielleicht auch nicht ganz so gelaufen, wie es gelaufen ist.“ #00:24:36-2#

PETER: Hast du eine Idee, was der Grund ist, warum ihr das nicht geschafft habt, das vorher so zu regeln? #00:24:44-1#

SARAH: Ich glaube, ich war nicht vehement genug. Und es gab ja für ihn, glaube ich, zu wenig Notwendigkeit. #00:24:54-3#

PETER: Mhm. Okay. #00:24:55-8#

SARAH: Also, ich war ja da. Es hat ja immer irgendwie geklappt. Ich habe seine wirklich eigenwilligen Arbeitszeiten immer aufgefangen. Und das hätte ich vielleicht auch nicht immer tun sollen. #00:25:10-1#

PETER: Also, irgendwie klarer, klarer // #00:25:12-2#

SARAH: Einfach das wirklich klarer auch vielleicht schon vor der Geburt sich überlegen. Wie wollen wir das machen? Und das ist natürlich, finde ich jetzt, auch logisch, dass die ersten Monate das Kind hauptsächlich bei der Mutter ist.

Das ist einfach so. Weil: Man stillt. Oder im Normalfall stillt man. Wenn man nicht stillt, ist es ja auch dann wieder anders. Aber danach muss ein Plan her, wie man das machen müsste. #00:25:40-8#

PETER: Also wäre das der Tipp von dir an werdende Eltern? #00:25:43-8#

SARAH: Auf jeden Fall. Also auch wirklich gut überlegen, wie ihr das machen möchtet. Und wieviel Freiraum man auch braucht. Und ich glaube aber auch gleichzeitig, dass man das erst merkt, wenn man in der Situation ist. Ich hätte auch nicht gedacht, wie sehr mich das manchmal stresst, dass ich dauernd dieses Kind dabeihabe. Ich dachte, das ist einfach so und da geht man halt so durch. #00:26:09-7#

PETER: Und dann hast du festgestellt: So einfach geht man nicht durch? (lacht) #00:26:11-3#

SARAH: Nein. (lacht) So einfach ist das leider nicht immer. Genau. #00:26:16-0#

PETER: Was mich noch interessieren würde: Du hast erzählt, es gab so die eine oder auch andere Herausforderung, die du hattest. Gab es ein Buch oder ein Hörbuch, wo dir geholfen hat, mit diesen Situationen umzugehen? Oder wo du etwas für dich rausnehmen konntest, wo du gesagt hast: „Ja, genau das hat mir in der Situation wirklich was gebracht“? Mutter Sohn Beziehung #00:26:37-6#

SARAH: Also konkret auf Situationen bezogen nicht. Ich habe sehr viele Erziehungsratgeber hier stehen, auch aufgrund meiner Ausbildung. Und ich muss, ehrlich gesagt, sagen, die haben mir alle nicht so viel geholfen. Das einzige Buch, was ich finde, was mir geholfen hat, meine Bedürfnisse oder unsere Bedürfnisse, die von mir und von meinem Sohn, auch besser zu vertreten, ist das Buch: „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ von Jean Liedloff, heißt die, glaube ich. Das ist aber leider zurzeit vergriffen. #00:27:18-3#

PETER: Okay. Und warum hat dir das geholfen? Also, was war genau der Punkt? #00:27:22-7#

SARAH: Einfach diese Natürlichkeit. Also, auf sich hören, auf sein Gefühl hören, und das dann so zu machen. Sei das mit dem Co-Sleeping, sei das mit dem langen Stillen – ich habe eineinhalb Jahre gestillt – einfach diese Bedürfnisse, also „bedürfnisorientiertes Erziehen“. Ich glaube aber, sie würde das nicht so nennen. (lacht) #00:27:46-3#

PETER: Okay. Ich werde auf jeden Fall den Link zu dem Buch in den Show Notes angeben. Ich muss selber schauen, was das für ein Buch ist. Ich habe das wirklich noch nie gehört. Finde ich spannend. Spannender Ansatz. #00:28:01-4#

SARAH: Also, es geht in dem Buch eigentlich darum: Das ist eine Amerikanerin, die konnte in irgendeinen – frag‘ mich nicht in welchen – Urwald gehen und dabei so ein Indigo-Volk hat die Beobachtungen gemacht. Und sie schreibt eigentlich darüber, wie die die Kinder erziehen. #00:28:19-3#

PETER: Ah, okay. Das ist sicher spannend. #00:28:23-3#

SARAH: Ja. #00:28:23-3#

PETER: Eine letzte Frage noch, Sarah, an dich; und zwar: Was hast du von deinen Kindern gelernt? Weil bekanntlich sind ja Kinder die größten Lehrmeister. (lacht) #00:28:31-6#

SARAH: Ja, was habe ich gelernt? Also, Geduld. Ich lerne immer noch „Geduld“. (lacht) Und auch die Tatsache, dass nicht immer das, was ich denke oder wie ich denke, dass etwas sein soll, das Richtige ist. #00:28:53-1#

PETER: Also, du meinst, dass das Kind dir zeigt, dass es anders sein kann? Oder was meinst du damit? #00:28:59-8#

SARAH: Genau. Also, zum Beispiel war ich als Kind nie ein großer Fan von Röcken, Kleidern und solchen Sachen. Und jetzt habe ich einen kleinen Sohn, der liebt Kleider. Und zwar diese richtig ausladenden Prinzessinnenkleider.

Natürlich ist das erst einmal nicht meine Vorstellung davon, wie jetzt ein Junge sich zu kleiden hat, ja? Aber eigentlich geht es mich nichts an. Weil das ist seine Entscheidung. Er möchte so rumlaufen, ab und an. Jetzt auch nicht jeden Tag. Dann habe ich das zu akzeptieren. #00:29:38-0#

PETER: Das hört sich für mich auch nach sehr viel Toleranz an? Also nicht nur Geduld // #00:29:42-8#

SARAH: Ja, ich glaube Toleranz ist ein wichtiger Punkt. Ich glaube, gerade auch, wenn man halt eine Patchwork-Familie hat. Weil die Familie hat ja davor schon sehr viele Jahre existiert und ich bin da reingekommen. Und natürlich war vieles nicht so, wie ich mir eine Familie vorgestellt habe.

Und da dann Toleranz zu haben und zu sagen: „Okay, ihr habt das all die Jahre so gemacht, dann gucken wir wie wir das weitermachen. Und was für mich wichtig ist und was für euch wichtig ist.“ Und da auch wirklich mal fünf gerade sein zu lassen. Und manchmal muss man auch die drei und die sieben gerade sein lassen. #00:30:26-0#

PETER: Genau. Ja, das war meine letzte Frage. Und ich möchte mich bei dir bedanken, dass du dir Zeit genommen hast deine Erfahrungen aus deinen Familien mit deinen Kindern mit uns zu teilen. Ich werde alle Infos über dich in den Show Notes verlinken und auch das Buch. Und ich wünsche dir noch einen schönen Tag in Wiesbaden. #00:30:47-3#

SARAH: Den wünsche ich dir auch. Und herzlichen Dank an dich! War ein spannendes Gespräch. #00:30:51-1#

PETER: Danke, dass du dabei warst. Ciao! #00:30:52-4#